Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
hätte er laut aufgelacht, so wohltuend war das Gefühl seiner sich entkrampfenden Muskeln.
„Ich bin nicht wie mein Meister. Ich bin kein Hürninjäger. Ich werde keine Zeit mit euch verschwenden. Vor Jahrhunderten habt ihr euch von den Dämonen übertölpeln lassen und noch immer seid ihr nichts als deren Marionetten. Verbrennt man die Hand, die eure Fäden hält, werdet auch ihr endgültig fallen.“
Sarn versuchte hochzukommen, aber seine Beine gaben nach. Erich konnte sehen, dass Tränen über sein Gesicht liefen, die er ärgerlich beiseite wischte. Beim zweiten Versuch schaffte er es sich wieder hinzustellen.
„Wir …“ Er musste sich ein paar Mal räuspern um klar sprechen zu können. „Wir haben uns nicht übertölpeln lassen. Und wir sind auch keine Marionetten!“
Der Magier beugte sich zu Sarn herunter. „Ach nein? Bis vor kurzem wusstet ihr doch noch nicht mal, dass ihr von euren Dämonen verraten worden seid. Ihr hattet auch keine Ahnung davon, dass das Dämonenpack euresgleichen in die Hölle verschleppte.“
„Woher …?“
Der Magier deutete nur stumm auf seine Augen und seine Ohren. „Mag sein, dass Sigwar und Chon etwas vom Kristallgefüge verstanden. Mag sein, dass sie mächtiger waren als alle anderen Magier ihrer Zeit. Aber was hat es ihnen gebracht? Sigwar: verraten und wahrscheinlich tot. Chon: gefangen in seiner pathetischen Insel inmitten der Zeit zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten. Und die Hürnin? Verblüht wie eine Blume ohne Frucht. Euer Volk ist wie Unkraut. Aber auch Unkraut hat für eine Weile eine Lebensberechtigung. Schlimm ist das Ungeziefer, das sich darin entwickelt.“
Auf der Stirn des Magiers zeigten sich Falten und Erich bildete sich ein, das es im Stall plötzlich wärmer geworden war. „Ohne Sigwar, Chon und die andern hätten Dämonen wie der Scharif, Peifor und die anderen diese Welt nie betreten können. Ohne die Hürnin wäre die Flamme nicht zum Dämonenjäger geworden. Ohne euch hätte ich jetzt noch einen Meister.“
Der Magier atmete tief durch und es klang wie der Wind, der brausend in die Esse eines Schmieds fährt.
Bevor er fortfahren konnte, sackte Erich erneut zusammen. Doch diesmal nicht weil sich seine Muskeln und Eingeweide vor Schmerz zusammenzogen. Eine weitere Vision bemächtigte sich seiner.
Wieder konnte ich alles sehen, was er sah. Und wieder blickte er durch die Augen einer Knochenfrucht.
Die Perspektive verwirrte mich zunächst, bis ich begriff, dass der Kopf oder wo auch immer sich die Augen der Knochenfrucht befanden, auf dem Boden liegen musste und sie so alles, was vor ihr geschah auf der Seite liegend sah. Es war dunkel, als würde das Licht nicht ausreichen alles zu erhellen, aber auch hier wurde mir schnell klar, dass das nur daran liegen konnte, dass die Knochenfrucht im Sterben lag. Eine große schwarze Pfütze hatte sich um sie herum ausgebreitet und am Rande des Gesichtsfelds konnte ich einen gespaltenen Helm mit Ziegenhörnern erkennen. Zwei weiße Vögel mit schwarzen Köpfen und roten Schnäbeln stoben erschreckt auf und flogen davon. Ein Paar Füße sprangen von der gegenüberliegenden Seite herein, rutschten aus und ich sah, wie ein junger Mann mit einem schlanken Krummschwert der Länge nach hinschlug, sich aber gleich danach wieder aufrappelte und weiterlief. Dann wurde es vollends dunkel.
Als Erich wieder zu sich kam, hatte sich der Magier über ihn gebeugt und hielt mit einer Hand sein Handgelenk umklammert. Mit der anderen hatte er Erichs Hemd, das er von den Wanderfalken bekommen hatte, beiseite geschoben, um die Narbe an seiner Seite zu betrachten.
„Interessant.“, murmelte er. „Du hattest also eine Begegnung mit dem Scharif und hast überlebt. Wie lang ist das her?“
Erich blinzelte ein paar Mal. Der Magier musste seine Frage wiederholen, damit Erich sie verstehen konnte.
„Zehn Tage. Vielleicht elf.“
Waren es tatsächlich nur elf Tage gewesen seit dem Kerker in Lazara? Es kam mir vor als wären Wochen und Monate vergangen, denn während in der Wüste noch drückende Hitze geherrscht hatte, umgab uns nun klirrende Kälte. Auch der Magier schien ihm nicht zu glauben. Er stutzte, beließ es aber dabei.
„Und wer hat dich geheilt?“, fragte er ein wenig sanfter.
„ Zwei Hexen namens Ba und Ja. Er kann sich nicht mehr daran erinnern. Er ist ohnmächtig geworden, nachdem einer der Dämonenbäume ihn berührt hat.“, sagte Sarn.
Mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck
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