Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Schicksal nach uns wirft. “
„ Kern ein guter Diener sein? Ihr habt leicht reden. Ihr steht noch ganz am Anfang eurer Reise. Euer Hürnin ist jung und vielversprechend. Trotz seines Makels. Was wisst Ihr schon über die Speere des Schicksals? Ich habe sie zweimal zu spüren bekommen.“
Wie sollte ich darauf antworten? Ich musste einen Weg finden schnell und unauffällig das Thema zu wechseln.
„ Entschuldigt meinen Hochmut, ich wollte Euch nicht kränken. Aber ich bin mir sicher, dass Ihr Großartiges für ihn und alle Hürnin vollbracht habt. Ist es nicht so? “
Kerns Dämon flackerte kurz auf wie die Spiegelung der Sonne auf einem See über den der Wind streicht.
„Ja, das habe ich, aber es ist alles nichts weiter als Staub und Schatten.“
„ Alles ist Staub und Schatten am letzten Tag. “, erwiderte ich und wartete unruhig auf eine Antwort. Philosophische Betrachtungen waren nicht gerade das geeignete Mittel, um die Stimmung eines schwermütigen Dämons aufzuheitern.
„ Das ist wahr. Beständig ist nur die Hoffnung.“, sagte Kerns Dämon, wobei er wie beiläufig einen verschwommenen Finger auf eine Raupe legte, die gerade im Begriff war, sich über eines der Blätter am Apfelbaum herzumachen. Die Raupe bäumte sich kurz auf, vertrocknete dann in einem einzigen Augenblick und rieselte zu Boden. Erich, der dabei war sich aufzurappeln, blieb überrascht sitzen.
„ Die Hoffnung und der Pakt. “, murmelte ich ein wenig eingeschüchtert. Kerns Dämon hatte die Kraft Leben mit einer einzigen Berührung auszulöschen. Ich fragte mich, wie das möglich war, schließlich hatten wir Horndämonen in dieser Welt selbst keinen Körper.
Kerns Dämon betrachtete mich mit verstärktem Interesse. Was ich gesagt hatte musste ihm gefallen haben, denn sein Tonfall wurde ein wenig versöhnlicher.
„Ich habe davon erfahren, dass auch ihr beide mit den Speeren des Schicksals zu kämpfen habt.“, sagte er.
Ich bejahte und erzählte Kerns Dämon, was er wahrscheinlich bereits wusste: dass Erichs Eltern nicht unter den Hürnin in Hornhus zu finden waren und dass der Ausgang der Aufnahmezeremonie deshalb ungewiss war. Das wiederum schien er zu missbilligen.
„ Sprecht nicht so offen darüber. Sprecht überhaupt weniger, so wie es die anderen tun. Ihr erweist eurem Herrn damit einen Gefallen. Auch in Hornhus sind wir von Feinden umgeben. Traut niemandem. Keinem Dämon und keinem Hörnernen. Und macht euch wegen der Zeremonie keine Sorgen. Die Hürnin können es sich nicht leisten auch nur einem einzigen Kind, das zu ihnen heimkehrt, den Eintritt in die Gesellschaft zu verwehren. Es wird sich jemand für ihn finden. Und wenn ich Kern für ihn aufstehen lassen muss. “
Der Dämon verblasste wieder und ich sprach meinen verwirrten Dank in die Leere zwischen den Bäumen.
Kern schien von dieser Begegnung nichts mitbekommen zu haben, oder er ignorierte sie. Zumindest hatte er keine Sekunde lang aufgehört in der Erde zu wühlen und Unkraut zu jäten.
„ War das Kerns Dämon?“, wollte Erich mit weit aufgerissenen Augen wissen.
„ Ja, er war es. “
Kern hob überrascht den Kopf, um sich nach allen Seiten hin umzublicken. „Dämon?“, fragte er wispernd. „Holt den Exorzisten!“
Erich sah mich fragend an, aber ich schüttelte nur den Kopf.
„ Er sah ganz anders aus als du und die anderen Dämonen, die ich hier in Hornhus gesehen habe. Irgendwie … geisterhaft.“
„ Er muss unvorstellbare Dinge durchgemacht haben. “, antwortete ich, aber eine befriedigende Erklärung warum Kerns Dämon so aussah, hatte ich nicht.
Eine Woche nach dieser Begegnung brach der Tag an, an dem Erich und die anderen jungen Hürnin sich dem Rat stellen sollten. Die Zeremonie fand in einer der tiefsten und größten Hallen von Hornhus statt. Sie lag so dicht am Grundwasserspiegel, dass ihr Boden im Licht der aufgestellten Fackeln und Feuerbecken ständig feucht schimmerte und sich an den Rändern Pfützen sammelten, die vom Sickerwasser gespeist wurden, das die dunklen Wände herunter lief und sie mit einem Netz von gelblich weißen und grauen Linien aus Kalk überzog.
Bis hier unten reichte kein Sonnenstrahl mehr, nicht einmal mit geschickt angebrachten Spiegeln. So wurde die Dunkelheit von Fackeln und Feuerbecken nur gemildert, aber nicht vertrieben.
Das Ritual, das der Rat hier zusammen mit den Kindern und der Gemeinschaft der Hürnin vollzog, war seit vielen Jahrzehnten unverändert und reichte auf alte Wurzeln
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