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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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zurück. Jungen und Mädchen traten einzeln auf die freie Fläche, wo die ringsum versammelten Hürnin sie sehen konnten und wurden von den Ratsmitgliedern befragt, wo sie aufgewachsen waren und was sie dort gelernt hatten. Sie wurden auch gefragt, ob sie ihren Dämon gerufen hatten und bereit waren, ihr Leben als Hürnin zu beginnen. Es wurde dabei nicht verlangt, dass sich ihr Dämon zeigen sollte, was ich nicht ganz verstand. Wir waren zwar nur die Diener unserer Herren, aber ein Bestandteil ihres Lebens. Warum waren wir dann nicht auch Teil dieser so wichtigen Zeremonie? War sie älter als der Pakt? Hatten wir Dämonen deshalb keinen Platz bei diesem Ritual?
    Nachdem er seine Fragen gestellt hatte, richtete der Rat das Wort an die anwesenden Hürnin. „Welcher Stamm beansprucht dieses Kind für sich?“, sagten die Ratsmitglieder gemeinsam. Sofort sprang eine Gruppe von Männern und Frauen auf, die zur Familie des jungen Hürnin gehörte und rief: „Hier. Wir!“ oder etwas Ähnliches. Man erlaubte sich da manche Freiheiten und es war auch schon vorgekommen, dass ein paar Witzbolde – Zwerge natürlich – „Kommt darauf an, wie viel wir dafür kriegen!“ gerufen hatten. Wichtig war nur, dass jemand Anspruch auf das Kind erhob, nicht wie er das tat. Wie Kerns Dämon gesagt hatte genügte es schon wenn einer der Hürnin sich erhob.
    Danach wiederholte der Rat die Frage und die gesamte Halle bebte, wenn alle Anwesenden aufstanden und das Kind lautstark zu einem der ihren erklärten. Denn hatte eine einzelne Familie einen Hürnin anerkannt, erkannten ihn alle Mitglieder des Volkes an.
    Erich war der Letzte in der kurzen Reihe von Neuankömmlingen und ich konnte nur unruhige Gesichter in den Reihen der Hürnin um ihn herum entdecken. Keiner der wenigen Horndämonen, die sich zeigten, würdigte mich eines Blickes und ich wäre in diesem Moment sogar froh über die Gesellschaft von Kerns Dämon gewesen, aber der Gärtner war einer der wenigen, die nicht an der Zeremonie teilnahmen. Die anderen Ausnahmen bildeten die Männer, die zum Wachdienst eingeteilt waren oder andere unabkömmliche Aufgaben zu erledigen hatten. Mit fast zweitausend Hürnin in der Halle war sie aber nur zur Hälfte voll, denn die jungen Hürnin in ihrer Mitte brauchten nicht viel Platz.
    Sieben mal wurde ein junger Hürnin in die Gemeinschaft aufgenommen, darunter auch ein Elfenmädchen und ein Junge mit schneeweißen Haaren, dann kam endlich Erich an die Reihe und es wurde totenstill in der Halle.
    Mit zitternder Stimme beantwortete er die Fragen, die ihm vom Rat gestellt wurden, aber als Bern, der Vorsitzende, die alles entscheidende Frage stellte, wer diesen Jungen für sich beanspruchen wolle, blieb es zunächst einmal gespenstisch still. Keiner der Hürnin, die ringsum auf dem Boden saßen rührte sich.
    „Ich beanspruche ihn für mich.“, war plötzlich eine Stimme zu hören und wie ein Echo rollte ein erstauntes Raunen durch die Menge.
    Als ich erleichtert in die Richtung blickte, aus der die Stimme gekommen war, sah ich den narbengesichtigen Priester Sarn. Sein Gesicht war so unbeweglich und zerfurcht wie das der Statue von Sigwar.
     
     

Kapitel 2 – Feuer aus der Tiefe
     
    Nach seiner Aufnahme bei den Hürnin blieb Erich noch einige weitere Tage im Geburtshaus der Menschen um sich in ihren Gebräuchen und Vorschriften unterweisen zu lassen. Da Sarn für ihn eingestanden war, übernahm er diese Aufgabe. Er führte meinen Herrn durch Räume im Geburtshaus, die ihm bisher verschlossen geblieben waren und lauschte seinen Erklärungen, während sie die filigran bestickten Gobelins an den Wänden betrachteten.
    „Diese Teppiche wurden von wilden Stämmen gefertigt, die wir vor langer Zeit unterworfen haben. Aber wir hätten uns wohl besser ein Beispiel an ihrer Kunstfertigkeit nehmen sollen anstatt ihnen unsere Motive aufzuzwingen. Wenn wir wirklich so groß gewesen wären wie wir geglaubt haben und wie sie uns darstellen mussten, dann wären wir immer noch die Herren der Welt.“
    Erich ging näher an den Wandteppich heran.
    „Ist das da in der Mitte Sigwar?“
    Sarn nickte. „Ja, das ist er. Aber in Wirklichkeit wird er wohl kaum auf einem feuerspeienden Ross geritten sein.“
    Erich lachte, aber Sarn blieb ernst. „Wir wissen fast nichts über ihn. Was die Allianz der Heere übrig gelassen hat ist voller Rätsel und Widersprüche. Und auch unsere Berichte in den Archiven sind bestenfalls Niederschriften von unvollständigen

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