Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
aber die Knochenfrucht stierte nur starr nach unten.
„Ich … es geht nicht. Ich kann den Körper der Knochenfrucht verlassen, aber ich kann ihn nicht steuern.“
„ Willst Du es lernen?“, wollte Drigg mit schalkhaften Unterton wissen. Erich bejahte.
„ Dann lerne!“, rief Drigg lachend und mit einem Mal ging die Knochenfrucht in einen unkontrollierten Sturzflug über. Erich konnte sehen, wie sich grauer Himmel und fleckige Erde in immer schnellerer Drehung ablösten und wollte den Körper der Knochenfrucht in Panik verlassen. Aber Drigg hinderte ihn daran.
„ Bleib hier, Junge! Spür den Wind in deinen Flügeln! Lausche dem Knirschen der Knochen nach. Wenn du das schaffst, kannst du dich auch der Scharifoi bemächtigen.“
Erich versuchte sich zu konzentrieren, aber die Panik wurde immer größer. Es konnte nicht mehr lange dauern bis er auf dem Boden aufschlagen würde, als … Erich spürte das Herz der Knochenfrucht, einen kalten Klumpen von gewaltiger Größe. Und vor Schreck hielt er es an.
Er erinnerte sich nur noch an das Gelächter von Drigg, bevor ihm die Sinne schwanden.
Als er wieder zu sich kam, befand er sich immer noch im Körper der Knochenfrucht, aber es hatte sich einiges verändert. Hitze strahlte ihm entgegen und als er seine Umgebung wieder klar wahrnehmen konnte, erkannte er vor sich die Reste von Hütten, die gerade bis auf die Grundmauern niederbrannten.
„Ah, du bist also wieder zurück.“, sagte Drigg. „Warum hast du das Herz der Knochenfrucht gestoppt?“
„ Das war ein Versehen.“, antwortete Erich ebenso kleinlaut wie fasziniert.
„ Dachte ich mir. Aber du begreifst schnell. Wir werden ein wenig hier bleiben, damit du üben kannst. Der Krieg ist weiter fortgeschritten als ich gedacht hatte.“
„ Was ist hier passiert?“, wollte Erich wissen, während er vorsichtig versuchte sich in den Körper der Knochenfrucht hinein zu fühlen. Aber er hatte noch nicht einmal eine Ahnung, wie die Knochenfrucht aussah. Wie sollte er da versuchen sie zu kontrollieren? In seinem Blickfeld lagen nur zwei schmale Arme, die in sichelartigen Klauen ausliefen.
„ Der Krieg ist hier passiert. So lange die Flamme auf der Jagd nach den Dämonen auf dieser Erde war, haben die Dämonen sich still verhalten. Aber jetzt fangen sie an sich untereinander zu bekriegen.“
„ Warum jetzt erst, wenn die Flamme schon vor so vielen Jahren verschwunden ist?“
Drigg brummte etwas, das Erich nicht verstehen konnte, dann sagte er: „Zehn Jahre sind keine lange Zeit. Nicht nach all den Jahrhunderten, in denen sie auf ihre zweite Chance gewartet haben. Aber darüber musst du dir jetzt keine Gedanken machen. Sieh lieber zu, dass Du die Knochenfrucht unter Kontrolle bekommst.“
Erich gehorchte. Er spürte in den schlaffen Körper hinein und fand das Herz wieder. Vorsichtig um es nicht erneut aus dem Takt zu bringen, tastete er sich dem Strom des schwarzen Bluts entlang folgend nach außen vor und entdeckte etwas anderes, das sich in regelmäßiger Bewegung befand und bei dem es sich um die Lunge handeln musste. Aber es war nicht die Lunge selbst, die diese Bewegungen erzeugte, stellte er fest, sondern ein flacher Muskelstrang, der unter ihr lag. Er konzentrierte sich darauf und ein seltsames Geräusch erklang.
„ Was war das?“, fragte er alarmiert.
„ Du machst dem Scharifo gerade Schluckauf.“, antwortete Drigg gut gelaunt. „Mach weiter, vielleicht kannst du es auch noch zum Rülpsen bringen.“
Erich wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Wütend suchte er weiter im Körper der Knochenfrucht herum und wusste plötzlich, dass sie eine Gestalt ähnlich der einer Motte hatte. Kaum hatte er diese Erkenntnis gewonnen, als er auch schon begann den Körper des Wesens unter seine Kontrolle zu bekommen. Wankend stürzte die Knochenfrucht zu Boden, doch Erich schaffte es selbst sie wieder aufzurichten. Als er sich schließlich unsicher in die Luft erhob, waren die Hütten um ihn herum längst zu qualmenden Kohlehaufen herunter gebrannt. So viel Zeit hatte er bisher noch nie im Körper einer Knochenfrucht verbracht.
„Schade dass es keinen Weg gibt eine solche Vision heraufzubeschwören und direkt in einen Scharifo zu schlüpfen, der dem Scharif nahe ist.“, meinte Drigg, der es für eine ganze Weile dabei belassen hatte Erich in dem zu ermutigen, was er tat. „Sonst könntest Du dem Scharif direkt ein Messer an die Kehle setzen.“
An diese Möglichkeit hatte Erich bisher noch gar
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