Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Dazwischen gab es einige Seen und Geländemarken, die Erich nicht recht deuten konnte, er verstand aber so viel, dass wenige Tagesreisen von Lazara entfernt ein zweiter Verteidigungsring aufgebaut werden sollte. Hier entstand die letzte Verteidigungslinie. Wenn sie fiel gab es keine Hoffnung mehr auf Rettung.
Erich stellte fest, dass er sich mit der Zeit an die Visionen nicht nur gewöhnte, sondern sie sogar herbeisehnte. Noch war Sunterak in weiten Bereichen ein friedliches Land und die Menschen damit beschäftigt ihren gewohnten Tätigkeiten nachzugehen, aber ab und zu konnte er den Körper der Knochenfrüchte auch zum Kampf nutzen. In Gebieten die weit im Süden lagen, war man teilweise noch mit der Ernte beschäftigt und ein oder zwei Mal war er bei Zeremonien oder Feierlichkeiten zugegen, deren Zweck er nicht verstand.
Ich wusste, warum er nicht genug davon bekommen konnte dem Treiben dieser Leute zuzusehen, auch wenn er als Knochenfrucht bei allen Abscheu und Furcht hervorrief. Wäre er kein Hürnin, dann würde er nun ein Leben wie diese Menschen führen. Er hätte eine Familie oder zumindest eine Gemeinschaft um sich herum und müsste sich keine Gedanken darüber machen, ob das, was er tat, vielleicht Auswirkungen auf die ganze Welt hatte.
Aber was war, wenn es ihm so oder so gleichgültig sein konnte? Auch wenn er nicht mit mir darüber sprach, konnte ich erkennen, dass sich in ihm ein Entschluss festigte und weiter heranwuchs. Im Moment hatte er nicht viele Wahlmöglichkeiten, aber er konnte schon jetzt Entscheidungen für die Zukunft treffen, in der er hoffentlich erneut die Möglichkeit zu wählen haben würde. Mein Gefühl sagte mir, dass dies ein richtiger und notwendiger Schritt war, aber ich wünschte mir, dass er zu einem anderen Zeitpunkt gekommen wäre. Zuerst hatten wir Sirr und Kern verloren, nun drohte die kleine Reisegruppe vollends auseinanderzubrechen.
„ Was können wir tun? “, fragte ich in der Hoffnung, dass Nuur mir antworten würde.
„ Wir können unsere Chance abwarten. “, sagte der Dämon Sarns.
„ Ich verstehe immer noch nicht, wie der Verrat von Befaal und den anderen so lange geheim gehalten werden konnte. “, erwiderte ich.
„ Weil niemand wirklich etwas davon wissen wollte. “, antwortete Nuur. „ Nach der Schlacht auf dem Sommerfeld hatten die verbliebenen Hürnin genug damit zu tun zu überleben, als dass sie sich Gedanken über den Verrat machen konnten. Und danach war es leichter zu vergessen als sich über etwas zu beklagen, was sich nicht ändern ließ. Du hättest nichts davon erfahren, wenn dein Herr nicht direkt davon betroffen gewesen wäre und die Wächter in unserer Heimat sorgen dafür, dass kein Dämon davon weiß, der in diese Welt gerufen wird. “
„ Aber wie ist das möglich? Stimmt es, was Sirr gesagt hat? Dass unser Gedächtnis manipuliert wurde? Dass man uns vieles vergessen ließ? “
„ Ja es stimmt. Der Bruch des Paktes war von langer Hand geplant. Es würde mich wundern, wenn die Verräter nicht auch an die Zukunft gedacht hätten. “
„ Dann ist es keine gute Idee nach Drachall zu gehen. “, sagte ich.
„ Wir müssen dort hin. “, erwiderte Nuur grimmig. „ Wenn Bern tatsächlich Chulak dort hin geschickt hat, müssen wir ihm zuvorkommen. Wir müssen ihn aufhalten, denn er darf Drachall nicht betreten. “
„ Wie stellst du dir das vor? Glaubst du Drigg wartet mit uns darauf, dass Chulak dort eintrifft? Oder denkst Du wir treffen zufälligerweise gleichzeitig in Drachall ein? “
„ Ich weiß es nicht. “, gab Nuur zu. „ Ich mache mir Sorgen. Auch über deinen Herrn. Er hat gelernt die Körper der Knochenfrüchte zu kontrollieren, richtig? “ Ich bejahte und Nuur fuhr fort. „ Das bedeutet, dass er die Stränge des Kristallgefüges verschieben kann. So wie Sirr. “
„ Du meinst er ist ein Magier? “
„ Er ist auf dem besten Weg dorthin. Warum sonst sollte Drigg ein solches Interesse an ihm haben? Er sucht einen Schüler. “
„ Aber er hat nicht mehr Interesse an ihm gehabt als an Sarn. Und er behandelt ihn auch nicht wie einen Verbündeten oder Zunftgenossen. “
Nuur schien zu lächeln, was aber schwer zu erkennen war.
„ Noch nicht. Aber er hat ihn getestet. Glaub mir, Drigg weiß, wie sich dein Herr entwickelt. Und ich weiß, dass es kein Magier so lange aushält ohne einen Schüler zu haben. Es ist wie ein Instinkt. Sie können nicht anders als sich jemanden zu suchen an den sie ihr Wissen weitergeben
Weitere Kostenlose Bücher