Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
dir eine weitere Fähigkeit verliehen. Nur ein Narr kann all diese Zeichen ignorieren. Und ich bin kein Narr.“
„Ich verstehe nicht … “
„ Natürlich nicht.“, antwortete der Magier. „Nur die Weisen verstehen. Deshalb handeln sie nicht. Wie die Schwestern. Ich habe ihre Nachricht verstanden, ihre Warnung. Aber ich bin nicht wie sie. Ich kann nicht so sein wie sie. Ich kann den Weg zum Gipfel nicht mehr gehen. Noch nicht.“
Erich runzelte die Stirn und versuchte zu enträtseln, was der Magier ihm zu sagen versuchte. Es klang wie eine Entschuldigung oder eine Rechtfertigung. Solche Worte von einem Mann zu hören, der offensichtlich viel Macht besaß, machte Erich Angst. Fast ebenso viel Angst wie es ihm machte, dass der Magier mit dem, was er über ihn sagte vollkommen Recht hatte. Wahrscheinlich war es bei einem Heranwachsenden nicht schwer herauszufinden, dass er sich deplatziert in der Welt fühlt, aber bei Erich war das etwas anderes. Der Magier konnte tief in Erich hineinblicken und auch wenn dort nicht alles offen lag, wusste er vielleicht mehr über ihn als ich oder er selbst.
Der Magier senkte seinen Blick und das Feuer in der Schale brannte mit normaler Farbe weiter. Obwohl die kleinen Fenster in den Außenwänden nicht durch Häute oder Glasscheiben geschützt waren, blieb es warm im Turmzimmer.
„ Mein Meister, die Flamme, hat mir die Augen geöffnet und mich vor die Wahl gestellt. Er sagte: 'Drigg, es gibt drei Wege in dieser Welt: Den Weg des Weisen und den Weg des Helden.' Ich fragte ihn was der Unterschied zwischen den beiden sei und warum er nichts über den dritten Weg sagte. Er antwortete: 'Stell dir eine Schatzkammer vor, die mit allem gefüllt ist, was ein Mensch je erreichen kann. Der Weg des Weisen wird dich zu dieser Schatzkammer führen. Du wirst Gemmen und Edelsteine daraus bergen und sie in Ringe, Ketten und Kronen fassen. Menschen werden sich damit schmücken oder sie werden wenigstens danach streben das zu tun. Aber nicht immer wird es jemanden geben, der dir dafür Dank oder Lohn gibt, denn nicht jeder Edelstein ist als solcher erkennbar. Und du wirst feststellen, dass nichts von dir selbst zurückbleiben wird. Andere werden das Gold und Silber wieder einschmelzen und die Steine nach ihren eigenen Bedürfnissen neu fassen. Das ist der Weg des Weisen.
Auf dem Weg des Helden wirst du genügend Menschen finden, die dir danken und dir deinen Lohn geben, denn du wirst ihnen große Dienste erweisen. Aber du wirst feststellen, dass die Zeit kommt, in der du selbst auf einen Helden angewiesen bist und du wirst keinen finden. Das ist der Weg des Helden.' Ich nickte und war begierig darauf zu erfahren, worin der dritte Weg bestand. 'Der dritte Weg ist der schwerste und zugleich der einfachste. Er ist der Weg, der dich aus dieser Welt in eine andere führt. Früher oder später werden wir alle diesen Weg gehen, aber die wenigsten von uns können sich aussuchen wohin sie gehen.'“
„Warum erzählst du mir das?“, wollte Erich wissen.
„ Weil ich dich vor die gleiche Wahl stelle, vor die die Flamme mich gestellt hat, bevor ich sein Schüler wurde: den Weg des Weisen, den Weg des Helden oder den Weg der dich aus dieser Welt herausführt.“
Erich verstand es immer noch nicht und ich ehrlich gesagt auch nicht.
„Die Schwestern wählten schon vor langer Zeit den Weg des Weisen. Sie werden aufsteigen zum Gipfel und bis zum Untergang von dort auf den Rest der Welt hinunterblicken und ihren Weitblick mit allen teilen, die um ihre Hilfe bitten. Aber sie werden sich dabei immer weiter von den anderen entfernen, je mächtiger sie werden. Wenn ein Fingerschnippen von ihnen reichen würde, um die Welt in ein Paradies zu verwandeln und allen Lebewesen in ihr ihre Sorgen zu nehmen, werden sie kaum mehr wissen, was das Leben ist oder dass es auch Sorge mit sich bringt. Mein Herr, die Flamme, entschied sich für den Weg des Helden als Sigwar den Dämon Peifor gerufen hat. Ihr Hürnin kennt ihn unter dem Namen Befaal, aber der Dämon, der heute diese Welt beherrscht, ist immer noch der gleiche, der eurem König vor vielen vielen Jahren die Treue geschworen und ihn in der Stunde seiner höchsten Bedrängnis verraten hat. In deinen Adern fließt das Blut der Sippe von Chiludes. Er holte die Dämonen auf diese Welt aber er sah auch ihren Verrat voraus. Gut möglich, dass er Vorkehrungen getroffen hat, um die Dämonen wieder von dieser Welt zu tilgen oder zumindest seine eigene Sippe zu
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