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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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Eisdrachen zu tun, der sich eben aus seiner Höhle schlängelt, um auf Beutezug zu gehen.
    Wir erlaubten uns einige Augenblicke mehr, als nötig gewesen wären, um wieder zu Kräften zu kommen und um diesen Anblick in uns aufzunehmen. Die raue Schönheit, die jeden Fehltritt mit gnadenloser Härte bestrafen würde, zog uns in ihren Bann. Wenn unsere Situation es zugelassen hätte, hätte ich stundenlang hier aushalten und den immer gleichen und immer anderen Lauf des Wassers betrachten können. Vielleicht lag es am Ziegenkörper, dass ich plötzlich einen Sinn für diese Naturschönheit entwickelte, denn losgelöst von ihm hätte ich vermutlich kein Auge dafür gehabt.
    Nuur konnte sich als erster von dem hypnotisierenden Anblick losreißen und tastete sich vorsichtig an die gegenüberliegende Felswand heran. Hier hatten sich eine Reihe kleinerer Felsen zwischen der Wand und dem großen Brocken verkeilt, aber hinter ihnen schien es keine Möglichkeit zu geben weiter aufzusteigen. Zumindest konnten wir keine Spalten oder Vorsprünge entdecken, die es uns erlaubt hätten. Diesmal war es Hund, der einen Ausweg fand. Ein gutes Stück unter uns befand sich ein kleiner Sims, der genug Platz für eine Ziege bot. Ohne weiter auf uns zu achten sprang Hund in die Tiefe, knallte seitlich gegen die Felswand, schaffte es aber sicher auf dem Sims zu landen. In den Schatten verborgen zog sich nicht weit davon entfernt eine Spalte durch den Fels und bevor wir noch recht begriffen, was vor sich ging, war Hund meckernd in der Dunkelheit verschwunden. Nuur folgte ihm. Er landete etwas eleganter auf dem schmalen Felsabschnitt und verschwand dann ebenfalls im Dunkeln. Auch ich stieß mich ab, schrammte schmerzhaft gegen einen Grat, der aus der Wand ragte und schaffte es irgendwie auf den Sims. Von hier aus konnte ich sehen, dass sich der Spalt wie eine unregelmäßige Treppe nach oben zog und dass wir keine Probleme haben würden durch ihn nach oben zu gelangen.
    Sprung um Sprung arbeiteten wir uns weiter hinauf, bis wir unsere Köpfe schließlich zwischen lauter kahlen Büschen und eisverkrusteten Geröllhaufen hervor strecken konnten. Wir befanden uns nun auf einem zerfurchten Plateau, über das die Draach ursprünglich einmal geflossen war. Strudellöcher, Kiesel und glatt geschliffene Rinnen prägten das Bild und wo die Rinnen und Becken tief genug waren, hatten sich Eis und Schnee gesammelt. Wenn das da unten der Drache war, der fauchte und tobte, dann hatten wir es hier oben mit seiner faltigen, abgestreiften Haut zu tun. Und wie sich herausstellte wimmelte sie noch immer von seinen Flöhen und anderem Ungeziefer.
    Wenn der Halken jetzt bei uns gewesen wäre, hätte er uns sicher sagen können, um was es sich bei diesen handtellergroßen weißen Käfern handelte, die plötzlich aus allen Ritzen und Spalten strömten, sobald wir ihnen zu nahe kamen, um sich in anderen Löchern zu verstecken. Ein roter Punkt zierte ihren Rückenpanzer und als ich einem der Käfer in die Quere kam, breitete der sogar kurz seine Flügel aus, um davonzufliegen. Auch unter den Flügeldecken waren die Tiere rot wie Blut. Obwohl sie uns erst einen großen Schrecken einjagten, waren die Tiere völlig harmlos. Es war sogar irgendwie beruhigend, dass sie hier leben konnten.
    Wir blieben wenn möglich auf den höher gelegenen schneefreien Stellen, um nicht irgendwo einzubrechen oder hängen zu bleiben und hatten schon bald wieder den Saum des Waldes auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses erreicht.
    Ein Instinkt, der irgendwo im Körper der Ziege schlummerte, half mir die richtige Bewegung zu finden, um das bereits gefrierende Wasser aus dem Fell zu schütteln, bevor wir uns wieder auf den Weg nach Südosten machten. Die anderen folgten meinem Beispiel und was wir nicht abschütteln konnten hing kurze Zeit später als Eisklumpen schwer in unserem Fell. Dem Ziegenkörper schien Kälte nicht viel auszumachen, aber ich war trotzdem froh, dass ich mich wieder frei bewegen konnte und mir so ein wenig wärmer wurde. Fast ein wenig traurig hörte ich zu, wie das Tosen der Draachklamm hinter uns verstummte.
    Bald stießen wir auch auf dieser Seite des Flusses auf die Reste der Brücke, von der am Nordufer nur ein einzelner Pfeiler übrig geblieben war. Auf der Südseite standen sogar noch einige Bögen, die ein Stück weit in den Fluss hineinragten und die Reste der Straße, die einst über die Brücke hingeführt hatte. Der Zustand der Straße war ebenso

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