Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Die erste Pflicht eines Kriegers ist es weiterzuleben, damit er auch morgen noch kämpfen kann. Schafft die Toten in den Wald. Wenn das Heer hier eintrifft wird das Feuer so wenig von ihnen übrig gelassen haben, dass es schwierig wird zu sagen, ob überhaupt ein Hürnin überlebt hat. “
Kemerak knurrte einen Fluch, aber Helion begriff, was Gilcris plante.
„ Danach soll alle in den Wald ziehen und in der Deckung der Bäume um den Steinbruch herum nach Norden weiterzugehen. Die geflohenen Wachleute, die uns hineingehen sehen, werden denken, dass wir alle im Feuer umkommen. “
Kemerak warf ein, dass wir uns bestimmt bald alle im Wald verirren würden und Gilcris schickte ihn und die beiden anderen Krieger los, um die Hürnin in kleinen Gruppen zu sammeln und in den Wald zu bringen. Er selbst kehrte auf das Schlachtfeld zurück, um sich einen Überblick zu verschaffen.
In der zunehmenden Helligkeit des Waldbrandes sahen wir eine Szene wie aus einer Schauergeschichte vor uns: Rings um den Krater wanden sich die Blutkolosse in alle Richtungen, um an die fliehenden Hürnin heranzukommen, aber dank der Lücke, die Gilcris geschaffen hatte, gab es keine Möglichkeit zu verhindern, dass sich auch noch die verbliebenen Hürnin aus dem Steinbruch schleppten oder von anderen getragen wurden. Ich konnte sehen, dass die Dämonen, die Schlepper und Brecher genannt wurden, einen wertvollen Beitrag dazu leisteten. Die Brecher besaßen lange, verhornte Arme mit denen sie gleich mehrere verwundete Hürnin auf einmal hochheben konnten, während die Schlepper mit ihren gedrungenen Körpern ganze Wagenladungen von Verwundeten die Rampe hoch zogen. Ein letztes Mal war der Steinbruch voller Betriebsamkeit und hob sich damit deutlich von der Stille ab, die nun auf dem Schlachtfeld einkehrte. Während die einen Hürnin sich bereits am Waldrand sammelten, schwärmte eine Gruppe unter Kemerak noch einmal aus, immer in respektvollem Abstand von den Kolossen, um die letzten Verwundeten fortzubringen und die verbliebenen Wachen zu töten.
„ Wir teilen uns in fünf Gruppen zu etwa vierzig Mann. “, beschloss Gilcris als er seine Anführer wenig später um sich versammelt hatte. „ Kemerak, Helion, Ruun, der Halken und ich führen je eine Gruppe durch den Wald um den Steinbruch herum nach Norden zum Siegel. Macht alle Dämonen, die euch auf dem Weg dorthin begegnen nieder. Keiner darf entkommen. Aber versucht euch ansonsten aus allen Kämpfen herauszuhalten. Vor Tagesanbruch werden wir das Siegel durchschreiten. Sorgt dafür, dass niemand zurückbleibt! “
„ Was ist das Siegel?“, wollte ich wissen.
„ Das Tor zum Sommerfeld auf der Menschenwelt. “, antwortete Gilcris hastig, der den anderen Hürnin offenbar schon davon erzählt hatte.
Ich nickte und die Männer machten sich bereits eilig auf den Weg, um alles für den Abmarsch vorzubereiten. Obwohl sie die Enkel oder sogar Urenkel der Hürnin waren, die nach der Schlacht auf dem Sommerfeld von den Horndämonen versklavt worden waren, steckte immer noch etwas in ihnen, das die Soldaten Sigwars einst dazu befähigt hatte die halbe Welt zu erobern. Jeder, selbst die Kinder, die sich unter den Flüchtlingen befanden, schien zu wissen, wo sein Platz war und was von ihm erwartet wurde. Die Brecher luden die wenige Ausrüstung auf, die man aus dem Sklavendorf mitgenommen hatte, während die Schlepper die schweren Wägen, die zum Transport von Steinen gedient hatten zu zerlegten, um aus den Brettern Tragen für die Verwundeten zu machen. Während der Waldbrand immer heftiger tobte und pechschwarze Rauchschwaden den Mond verdeckten, machte sich der Halken als erster mit seiner Gruppe auf, um das Siegel zu erreichen.
Auch Gilcris hatte inzwischen eine Gruppe von Hürnin um sich gesammelt und während er darauf wartete, dass die letzten Verletzten auf einer Trage oder in den Armen eines Brechers untergekommen waren, fragte ich ihn noch einmal nach dem Siegel. „ Die gefangenen Hürnin haben mir davon erzählt. Chiludes hat gesagt, dass ich die Macht habe es zu öffnen. Es ist der einzige Weg die Gefangenen zu retten. Wir können nicht gegen das Dämonenheer im Süden kämpfen – noch nicht zumindest. Aber wir können unsere Kräfte sammeln und zurückschlagen, wenn wir stark genug sind. Meine Mutter und viele andere Hürnin werden immer noch irgendwo im Süden gefangen gehalten. Ich weiß es. “, sagte er atemlos.
„ Wie werden wir dieses Siegel finden?“, wollte ich wissen.
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