Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Zähne, bis kochend heißes Blut aus der Wunde tropfte.
In einer fließenden Bewegung glitt der Schlangenkopf zurück und hob sich dann zusammen mit den anderen beiden hoch in die Luft. Der mittlere Kopf, der den Schlangenschwanz im Maul trug, bildete nun einen halbkreisförmigen Torbogen, die anderen standen zu beiden Seiten wie ein Baldachin.
Gilcris ballte seine Hand zusammen und der Blutstrom versiegte.
„ Kommt. “, sagte er mit zitternder Stimme. „ Zum Siegel ist es nicht mehr weit. “
Während die ersten Flüchtlinge angstvoll zu den Schlangenköpfen hinauf starrend das Tor durchschritten, kamen auch die restlichen Gruppen an. Kemerak, der als Nachhut eintraf, war auf eine versprengte Gruppe von Wachleuten gestoßen und hatte sie wie befohlen niedergemacht. Mit leichtem Schauer erkannte ich, dass die Köpfe der getöteten Dämonen nun an seinem Waffengurt und den Gürteln seiner Männer hingen. Ich fürchtete, dass uns dieser Heißsporn noch Ärger bereiten würde, aber darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern.
Das erste, was mir nach Durchschreiten des Tores auffiel, waren die Grabhügel. Hier waren sie noch größer als in der Welt der Menschen und über jedem von ihnen brannte ein rotes Licht, das immer wieder flackernd ins Bläuliche oder Gelbe wechselte.
Keiner der Hürnin, Schlepper oder Brecher wagte etwas zu sagen und da die sich erneut senkenden Schlangenköpfe das ferne Brausen des brennenden Waldes aussperrten, war nun nur noch das Geräusch unsicherer Schritte auf trockenem Laub zu hören.
Dann drang ein Knirschen an unsere Ohren, das erneut das Gebet gegen die Angst auf meine Lippen brachte.
„ Kemerak, bring deine Männer nach vorne. Bildet eine Linie zwischen den beiden Hügeln da. Halken, nimmt dir eine Handvoll Bewaffnete und deck die rechte Flanke, ich gehe nach links.“
Ohne Zeit zu verlieren nahmen die Kämpfer unter den Brechern, Schleppern und Hürnin ihre Verteidigungspositionen ein, während sich die übrigen zwischen ihnen und den Schlangenköpfen zusammendrängten. Die Frauen und Kinder waren erschöpft und verängstigt und ich muss zugeben ich auch. Noch immer konnte ich nicht erkennen, was da zwischen Bäumen und Grabhügeln auf uns zukam, aber meine Angst wuchs immer mehr und ich breitete meine Flügel aus, um notfalls fliehen zu können.
Dann schälten sich Gestalten aus der Dunkelheit, die selbst den Halken einen Schritt zurückweichen ließen, bevor er ihnen mit einem trotzigen Kriegsschrei entgegenrannte. Die anderen folgten ihm. Die Schlacht auf dem Sommerfeld hatte viele Schrecken hervorgebracht und die meisten von ihnen waren der Welt bisher zum Glück verborgen geblieben. Auch die Wesen, die nun vor uns standen, waren wahrscheinlich über Jahrhunderte hinweg hinter dem knotigen Leib der Schlangenmauer weggesperrt geblieben. Nun stürzten sie sich wie aus einer anderen Zeit heraus auf uns.
Ich sah schlanke Gestalten, die mich an Schwerter erinnerten, andere breit und wuchtig wie Axtköpfe und wieder andere so verschlagen wie Dolche. Insektengleich bewegten sie Ihre zu zahlreichen oder zu wenigen Gliedmaßen.
Wer waren sie? Die Fleisch gewordenen Geister des Krieges und der Waffen? Diese Wesen schlugen lachend in die Reihe der Verteidiger wie ein Beil in morsches Holz. Die Hürnin waren tapfer oder verzweifelt genug den Sturmangriff aufzuhalten, aber es war klar, dass sie nicht lange durchhalten würden. Mit wütendem Gebrüll schlug der Halken mit seiner Axt um sich und ich sah, wie der lange Stiel nach mehreren wirkungslosen Treffern in der Mitte durchbrach. Einer der Hürnin in der Verteidigungslinie wurde von irgend etwas getroffen und sein Körper platzte auf wie eine überreife Frucht. Glühende Schlacke ergoss sich über die Umstehenden und setzte den trockenen Boden in Brand.
Aber nicht nur das Laub flammte auf. Deutlich spürte ich eine Welle von Empfindungen über mich hinwegbranden: Hass, Machthunger, Blutgier, Stärke, Triumph, Mordlust. Ein weiterer Hürnin fiel und wieder breitete sich dieses Gefühl aus, das meine Mundwinkel zu einem irren Grinsen hochriss. Ich erinnerte mich an etwas.
„Nicht kämpfen …“ Wie ein Nachgeschmack blieben diese Worte in meinen aufgewühlten Gedanken stehen und ich stolperte ein paar Schritte vorwärts. Ich wusste, wie wir siegen konnten. Es gab nur einen einzigen Weg zu entkommen. Und wir mussten schnell hier weg, bevor wir allesamt niedergemacht wurden.
„ Aufhören! Nicht kämpfen!“, wiederholte
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