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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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ich es so laut ich konnte und immer wieder, bis ich mich über den gesamten Kampfplatz brüllen hörte.
    Und zu meiner eigenen Verwunderung ebbte der Kampf ab. Die Hürnin ließen ihre Waffen sinken und die Waffengeister ließen von ihnen ab. Selbst das Feuer erstarb zu einem schwächer werdenden Qualmen. Stille kehrte ein.
    „Sie nähren sich von Gewalt.“, rief ich hastig. „Je mehr wir den Kampf suchen, desto stärker werden sie. Wenn ihr nicht gegen sie kämpfen wollt, können sie euch nichts tun. Wenn wir …“
    Ein Pfeil, der meine Brust durchbohrte, beendete meinen Satz.
    „ Schlau gedacht, Dämon. “, sagte der Schütze höhnisch von einem Baum herab. „ Aber ich für meinen Teil will euch nur zu gerne bluten sehen, das genügt mir schon. “
    Plötzlich lag ich am Boden und sah die Gesichter von Gilcris und dem Halken über mir. Irgendwo jaulte Hund.
    „Nein, nicht.“, schnaufte ich und versuchte festzustellen, wie schlimm es mich erwischt hatte. Dass es kein bisschen weh tat, ließ auf nichts Gutes schließen. Ich fühlte nur eine große Erschöpfung und Kälte, die sich in mir ausbreitete. „Wir müssen stark sein.“, sagte ich mühsam. „Wir dürfen keine Angst haben.“
    Gilcris hatte verstanden. Während weitere Pfeile auf uns niedergingen, die der Halken mit seiner Schlangenpeitsche abzuwehren versuchte, schaffte es Gilcris irgendwie die Flüchtlinge um sich zu versammeln. So wie Sarn seine Zuhörer um sich geschart hatte, stand Gilcris mit dem Halken inmitten eines Kreises von Männern, Frauen, Kindern und Dämonen. Er schien jeden einzelnen von ihnen mit seinen Blicken festzuhalten und ihnen damit Kraft zu geben. Die Geister konnten uns nichts mehr anhaben.
    „ Seht mich an! “, rief Gilcris. „ Hört meine Worte. Ich bin Gilcris, Sohn von Chilles, Enkel von Chiludes. Ich bin der Herr der Hürnin und wenn ihr mir weiter folgt, werde ich euch in die Freiheit führen. Es ist nicht mehr weit. Wappnet eure Herzen mit Hoffnung und euren Verstand mit Stärke. Wer den Tod nicht fürchtet, kann kein Sklave sein. Das ist eine Prüfung für jeden einzelnen von uns und wir werden sie bestehen. Wir sind Hürnin. Wir werden nicht aufgeben! “
    Der Halken hatte mich hochgehoben und ich sah, wie mein Blut, das aus der Pfeilwunde tropfte, auf seiner Rüstung verdunstete.
    Gilcris setzte sich in Bewegung und ging rückwärts und mit ausgebreiteten Armen auf die Rache- und Waffengeister zu. Wie eine Herde von verängstigten Tieren folgten ihm die Hürnin. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Keiner wagte es die Geister anzublicken. Ich weiß nicht mehr ob Gilcris, der Halken oder ein anderer der Hürnin das Gebet gegen die Angst anstimmte, aber plötzlich war es auf den Lippen jedes einzelnen Flüchtlings.
    „ Angst wird mich durchdringen und mir den Weg zeigen wenn ich die Augen nicht vor ihr verschließe. Ich erwarte meine Angst. Ich werde ihr nicht nachblicken. Sie hat keine Macht über mich.“
    Ich verlor das Bewusstsein und erlangte es zwischendurch wieder, wie der Wind auftaucht und verschwindet. Irgendwann gab es Kämpfe, aber ich hörte sie nur aus weiter Ferne. Später sah ich, dass wir ein großes Gebäude mit vielen Säulen und einen abgestorbenen Garten durchquerten, aber ich erinnere mich nur noch vage daran. Danach weiß ich nur noch, dass Gilcris zum Halken sagte: „ Wir müssen uns beeilen und das Siegel überschreiten bevor er stirbt. In unserer Welt ist er nur Geist und Gedanke, keine Wunde kann ihm dort etwas anhaben. “
    „ Aber er wird nie zurückkehren können. Tut er es, stirbt er. “, antwortete der Halken.
    Und dann verschwand alles Schwere und Kalte. Die Dunkelheit des Waldes wich hellen Farbtönen, die in Himmel und Erde sickerten und für einen kostbaren Augenblick fühlte ich mich eins mit allem, was war. Ich sah den Ozean des Seins und die unzähligen Welten, die in ihm aufstiegen, um sich am Ende aller Tage an seiner Oberfläche zu vereinen. Ich sah das Sommerfeld weiß von Löwenzahn und als ein starker Windhauch in die Samen hineinfuhr, wurden Millionen von ihnen in die Lüfte gehoben und nahmen mich mit. Da waren keine Wächter, die mich meiner Erinnerungen beraubten. Keine Sorgen. Kein Schmerz …
    Ich fühlte, wie mein Herz aufhörte zu schlagen, aber ich starb nicht. Mein Körper erkaltete und eine Weile blieb ich noch bei ihm, aber dann wurde ich fortgerissen von einem Ruf, den ich nicht ignorieren konnte. Es war Erich, der mich zu sich rief. Nein, nicht

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