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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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groben der Rat. Ich weiß nicht, ob es da ein bestimmtes System gibt, aber irgendwas werden sie sich schon dabei denken. Und im Speziellen natürlich die Eltern, was ja einleuchtet. Wenn ihnen die Entscheidung des Rats nicht gefällt, suchen sie sich einfach selbst einen Platz aus. Aber komm jetzt, es wird langsam Zeit, dass wir weiterkommen, damit wir uns nicht gleich wieder auf den Rückweg machen müssen, wenn wir da sind.“
    „ Woher weißt du das? Ich habe hier unten komplett das Zeitgefühl verloren.“
    Brogu zuckte mit den Schultern. „Man lernt es. Die Fackel brennt herunter, die Temperatur ändert sich. Es riecht abends anders … außerdem verändern sich die Geräusche der Stadt. Hörst du es?“
    Erich lauschte. Tatsächlich hatten die Echos, die durch die Gänge hallten, eine andere Qualität angenommen. Aber da war noch etwas anderes: Ein Geräusch, das Erich in Hornhus so noch nie gehört hatte.
    „ Das klingt wie Wasser!“, sagte er aufgeregt. Erinnerungen an Kinder, die in einem Bach spielten, traten vor sein geistiges Auge.
    „ Das ist es auch. Ich finde, das ist der schönste Platz hier unten. So etwas findet man bestimmt nirgendwo sonst. Sogar die Orks kommen regelmäßig hier runter, um es sich anzusehen. Werden ganz wehmütig dabei. Pass auf, wir sind gleich da.“
    Durch ein Loch in der Felswand tasteten sie sich auf feuchtem Untergrund auf einen breiten Sims hinaus, von dem man eine große Höhle überblicken konnte, in der unzählige Knochen aufgeschichtet waren. Sinter und Kalk, der sich aus dem von der Decke herabtropfenden Wasser löste, hatte sich um die Schädel, Rippen und Wirbelsäulen gelegt und sie mit einer Schicht überzogen, die mit den Jahren beharrlich wuchs.
    „Alle Knochen, die das Wasser mit sich gerissen hat und die wir nicht mehr zuordnen können, also eigentlich alle, bringen wir hierher und stapeln sie auf. Der Sinter verhindert, dass sie noch einmal weggewaschen werden und in ein paar hundert Jahren sind sie im Gestein völlig verschwunden.“
    „ Ihr habt das alles gemacht?“, fragte Erich beeindruckt. „Diese ganzen Säulen und Becken?“
    Brogu war geschmeichelt. „Nein, nur die jüngsten, die da drüben zum Beispiel mit der dünnen eierschalenfarbenen Sinterschicht. Die großen Säulen sind viel älter und ich glaube nicht einmal meine Meisterin weiß, wie man sie damals gemacht hat. Schau nur wie filigran die Rippen zu einem Muster gefügt wurden. Wenn ich Betrix danach frage, sagt sie immer: ‚Das geht alles mit Spiegeln.’ um mich zu verschaukeln und davon abzulenken, dass sie keine Ahnung hat. Aber komm weiter, es gibt noch mehr zu sehen.“
    Vorsichtig arbeiteten sie sich auf dem Sims weiter vor, bis sie an eine Ausbuchtung anlangten, die von einem abgebrochenen Stalagmiten gebildet wurde.
    „ Grem, mach Licht.“, sagte Brogu.
    Eine Stichflamme, die aus dem Nichts zu kommen schien, blendete Erich, aber als sich seine Augen daran gewöhnten, sah er tausende kleiner Sonnen, die langsam verglühend dem Höhlenboden entgegen schwebten. Ihnen entgegen stiegen im Spiegel eines unterirdischen Sees weitere tausend Sonnen.
    Im Licht dieser Leuchten, die Brogus Dämon erschaffen hatte, konnte Erich eine Wand erkennen, die unmöglich natürlichen Ursprungs sein konnte, denn sie war geglättet und an ihrem unteren Ende verziert mit einem Fries voll quadratischer Ornamente. Erst als sich seine Wahrnehmung den Proportionen dieser Wand anpasste, erkannte er, dass es sich dabei um in den Fels gehauene Löcher handelte, in denen feucht glänzende Statuen standen. Sie stellten Menschen in langen Mänteln dar, die in ihren vor die Brust erhobenen Händen kleine Schalen hielten. Kaum hatte er das begriffen, als die ersten glühenden Körner die Wasseroberfläche erreichten und zischend in ihren Spiegelbildern erloschen. Aber dunkler wurde es dennoch nicht. In dem Maße, in dem Stern um Stern erstarb, begannen die Statuen von innen heraus zu flackern. Wie Sonnenstrahlen in der Tiefe eines Sees oder die Lichtfinger, die durch Hornhus wanderten, bahnte sich das Licht einen Weg durch die Dunkelheit. Vielfarbig, pulsierend und betörend.
    „ Man nennt sie die Pförtner. Warum weiß ich nicht.“, flüsterte Brogu.
    Erich trat so weit er konnte an die Kante heran, um sich die Statuen genauer anzusehen. Eine von ihnen leuchtete besonders hell auf. Wie die anderen bestand sie aus einem türkis schimmernden Material, das von Quarzadern durchzogen und nur grob behauen war.

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