Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Gerade so viel, dass man die Gesichtszüge von Menschen erkennen konnte, aber nicht fein genug, um sagen zu können, ob es sich dabei um Männer oder Frauen handelte. Bevor sich Erich einen Reim darauf machen konnte, spürte er Brogus Hand auf seiner Schulter und sah sich wie aus einem Traum erwachend um.
„Lass uns von hier verschwinden. Es ist höchste Zeit und irgendwas stimmt hier nicht. Dieses helle Licht in der Statue ist nicht normal.“
Erich nickte benommen und folgte Brogu auf dem Weg über den Sims zurück. Ich blieb noch kurz an Ort und Stelle, denn die eine Statue in der Wand glomm noch immer in einem goldenen Licht. Ich blickte es mit den Augen im Kristallgefüge an und es erinnerte mich an die Facetten, die Erich umgaben. Jeder Mensch hatte einen Schatten im durchscheinenden Gefüge und der Schatten dieser Statue hatte so viel Ähnlichkeit mit dem Erichs, dass es kein Zufall sein konnte. Ich wollte mir diese seltsame Statue gerade noch näher ansehen, so lange Erich nah genug war, als mich ein Schrei herumfahren ließ. Ich hatte meine Pflicht vernachlässigt! Mein Herr war in Gefahr!
Es dauerte keinen Herzschlag und ich war bei ihm. Noch vor der Vollendung eines Atemzugs nahm ich Besitz von seinem Körper, um mich dem entgegenzustellen, das sich vor den beiden jungen Hürnin im Gang aufgerichtet hatte. Hinter dem Wesen stand ein Teil des Gangs in Flammen und ich konnte deutlich die Umrisse von feistem Fleisch erkennen. Ich sah ein raupenartiges Tier mit leichenblasser Haut, die unregelmäßige Beulen aufwies. Es stank nach Kot und säuerlichen Sekreten.
Brogu hielt sich seinen linken Arm, der anscheinend verletzt war, während Erich sich mit seiner Fackel vor das Tier gestellt hatte, das ihn um einen ganzen Kopf überragte und alles in allem doppelt so lang war wie er.
Im Körper meines Herrn sprang ich vor und rammte dem Ding die Fackel in den oberen Teil seines Körpers, der mit knorpeligen Fühlern und borstigen Haaren bewachsen war. Beißender Rauch stieg auf und das Ding zuckte zurück. Die Fackel erlosch, als sie meinem Griff entglitt, aber das machte nichts, denn noch verbreitete das Feuer, das ohne Zweifel der Dämon Grem verursacht hatte, ein wenig Helligkeit und die Schatten im Kristallgefüge hätten mir auch in völliger Dunkelheit gezeigt, was sich um mich herum befand.
Ich wartete nicht darauf, wie das Tier weiter auf den Angriff reagieren würde, sondern sprang nach vorn. Von beiden Seiten krallten sich Erichs Hände in das zähe Fleisch unterhalb der Fühler und ich brachte seine Muskeln bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit, um die Haut und die dicke Fettschicht darunter wegzureißen. Blut spritzte heraus und Erichs Finger verloren den Halt. Er stürzte zu Boden und für einen Moment verlor ich die Kontrolle über ihn.
„Stopp!“, keuchte er, aber dann peitschte der Schwanz des Wesens heran und ich bemächtigte mich seiner erneut, um ihn ausweichen und zum Gegenangriff übergehen zu lassen. Am Boden lag die noch immer glühende Fackel und ich ließ sie ihn packen und mit aller Kraft auf den Schädel dieses Wesens niedersausen, wieder und immer wieder. Erst als die letzten Zuckungen durch den am Boden liegenden Körper des Wesens irrlichterten, verließ ich Erich wieder und sah zu, wie er sich in Krämpfen übergab.
Mit den letzten Flammen brachte Brogu die Fackel wieder zum Brennen und sich gegenseitig stützend machten sie sich auf dem Weg nach oben. Den Wurm beachteten sie dabei gar nicht mehr. Sie wollten nur noch so schnell wie möglich heraus aus den Katakomben.
Kapitel 3 – Wind in den Zweigen
Erich sah schlimmer aus als nach dem Blutritual. Seine Hände waren bis zu den Ellenbogen hinauf dunkel vom Blut des Wurms und seine Lippen besudelt mit Speichel und Erbrochenem. Er schaffte es einige Schritte zu gehen, musste sich aber dann gegen die Wand des Tunnels lehnen und übergab sich erneut.
„Das … das war ein Leichenwurm.“, stammelte Brogu fassungslos. „Ich habe noch nie einen gesehen, der so riesig ist!“
Erich ignorierte ihn und zischte mich an: „Mach das nie wieder ohne meine Einwilligung.“
„ Es war notwendig. “, antwortete ich. „ Ihr seid in Gefahr gewesen. “
Erich schüttelte erschöpft den Kopf und spuckte auf den Boden.
„Mach es nie wieder.“, wiederholte er mit Nachdruck.
Unterdessen stritt auch Brogu mit seinem Dämon. Er machte es leise, damit wir möglichst wenig davon mitbekamen, aber es gab dennoch keinen Zweifel
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