Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
aber das Fleisch darum herum feucht und aufgequollen, so dass sie ein Stück aufklaffte. So würde sie nicht sauber verheilen können. Nachdem der Ork die Wunde eingehend inspiziert hatte, holte er einen kleinen Tonkrug aus einer Tasche und schüttelte etwas heraus. Erich sah, dass es sich um kleine Ameisen handelte. Mit überraschend geschickten Fingern pickte der Halken zwei von ihnen von seiner Handfläche und setzte sie auf den Schnitt. Die kleinen Tiere bissen sich sofort an den Wundrändern fest und zogen sie zusammen, so dass sich die Wunde schloss. Nachdem der Halken die anderen Ameisen zurück in den Krug geschüttet hatte, griff er in eine seiner verfilzten Locken und zog einen weißen Kokon heraus. Mit ein paar schnellen Bewegungen wickelte er einen etwa fingerbreiten Streifen des Gewebes, aus dem der Kokon bestand, ab und legte ihn über die zusammengeklammerte Wunde. Erich spürte wie die Seidenfäden an seiner Hand kleben blieben. Und er sah, wie ein kleiner Punkt von der Hand des Halken auf seinen eigenen Unterarm hüpfte. Erich wollte nach dem Floh schlagen, aber der Halken hielt ihn davon ab.
„ Tu das nicht.“, knurrte er.
„ Aber warum? Das ist ein Floh!“
„ Eben. Im Körper eines Flohs wohnt der Geist eines blutrünstigen Mannes. Wenn du den Floh tötest, befreist du damit den Geist und er kann sich ein größeres Tier suchen, in dem er wohnt. Zum Beispiel eine Fledermaus. Es ist besser von einem Floh gebissen zu werden als von einer Fledermaus.“
Erich sah den Ork verwundert an. Er schien es vollkommen ernst zu meinen.
„Nicht kratzen!“, war alles was der Halken ihm noch an Anweisungen mitgab, bevor wir uns wieder auf den Weg machten.
Je weiter wir uns von Hornhus entfernten, desto unwegsamer wurde die Gegend. Wir bewegten uns nun in Richtung Südost und mussten dabei regelmäßig langgezogene schmale Teiche oder Kanäle kreuzen, von denen ich nicht sagen konnte, ob sie auf natürlichem Weg entstanden waren, oder die Reste von alten Entwässerungsgräben darstellten. Manche von ihnen waren nur auf schwimmenden Brücken zu überqueren, die auf den ersten Blick aussahen wie zufällig gewachsene Vegetation. Wenn man aber genauer hinschaute, konnte man die Reste von dicken Tauen erkennen, mit denen man den Pflanzen das Wachstum erleichtert hatte. Dennoch gab es kaum längere Strecken, auf denen sich die Hürnin wirklich sicher fühlen konnten. Vor allem der Halken, der um einiges schwerer war als die anderen, sank wieder und wieder in nachgebende Pflanzenschichten ein, konnte sich aber immer aus eigener Kraft befreien.
Überhaupt schien der Boden ein Eigenleben zu besitzen. Er gab nach und federte zurück, gab Geräusche von sich und platzte an manchen Stellen mit einem fauligen Schmatzen auf, während sie über ihn hinweggingen. Hornhus wäre nie erobert worden, wenn man das Moor nicht lange vor der Schlacht auf dem Sommerfeld trockengelegt hätte, um hier Landwirtschaft zu betreiben. Aber jetzt war es kein guter Boden um sich darauf fortzubewegen. Nicht für Erich und die beiden anderen und erst recht nicht für ein Heer.
Die Tierwelt war kaum freundlicher zu ihnen als das Terrain. Zwar gab es wunderschöne Libellen und der Halken hatte in kürzester Zeit seine Heuschrecken-Augenbrauen wieder, aber Erich wurde von Mücken und anderen Plagegeistern regelrecht belagert. Während es im Norden genug trockene Stellen gab, die teilweise sogar dichten Wald trugen, der Wildschweine und andere größere Tiere ernähren konnte, war das größte, was ihnen hier über den Weg lief ein Fischotter, der schleunigst das Weite suchte, als er sie bemerkte. Erich war froh darüber, denn er hatte keine Lust auf eine weitere Begegnung mit irgendwelchen Riesentieren und die Mücken konnte er wenigstens mit einem Schlag töten.
Als er angefangen hatte die fliegenden Plagegeister umzubringen, hatte er noch vorsichtig zum Halken hinübergeschielt, aber anscheinend besaßen Mücken seiner Auffassung nach keine Seele. Oder zumindest nicht die eines Mörders, der sich zu rächen versuchte, indem er in einem größeren Tier wiederkehrte.
Erst als der Regen immer stärker wurde und in dicken Tropfen auf die Körper der Hürnin herabprasselte, verschwanden die meisten Insekten, was Erichs schlechte Laune aber auch nicht verbessern konnte. Sein Umhang war inzwischen von oben bis unten durchweicht und es gab nur noch wenige trockene Stellen an seinem Körper. Außerdem wurde es bereits dunkel und Erich war
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