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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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befinden, aber mehr erfährt man nicht darüber. Und über das Winterfeld schweigen sich die Archive vollständig aus.“
    „ Wenn es je ein Feld in jeder Himmelsrichtung gab, was war dann in der Mitte?“, wollte Erich als nächstes wissen.
    Während Sarn „Wahrscheinlich gar nichts.“, zur Antwort gab, sagte der Halken gleichzeitig: „In der Mitte des Rades ist seine Nabe.“ Sarn zuckte gleichgültig mit den Schultern während Sirr nur spöttisch lachte und sich danach wieder ein Stück von den anderen entfernte. Weder Sarn noch der Halken wollten mehr dazu sagen und so gingen sie wieder eine ganze Weile schweigend nebeneinander her.
    Erich fragte sich, warum er so wenig über die Schlacht auf dem Sommerfeld wusste. Er hatte zwar viel Zeit in den Archiven verbracht, aber die verlässlichen Quellen berichteten von Ereignissen, die nicht länger als 50 oder vielleicht 100 Jahre zurücklagen. Alles was davor lag, nahm sich eher aus wie ein Bild, das jede Generation von Archivaren aufs neue übermalt, zerschnitten und wieder ausgebessert hatte, bis nur noch ein Mosaik übrig geblieben war, in dem viele Steinchen fehlten.
    Erich konnte noch nicht einmal mit absoluter Sicherheit sagen, ob die Schlacht auf dem Sommerfeld 500 Jahre zurücklag, oder schon über 1000. Die Hürnin hatten zwar eine Vorliebe dafür, ihre Geschichte niederzuschreiben, aber offensichtlich eine Abneigung dagegen sie in eine klare Reihenfolge zu bringen. Vielleicht würde es ihm helfen das Schlachtfeld mit eigenen Augen zu sehen. Er wusste, wie ein Baum aussah, der mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel hatte, weil die Männer in seinem Dorf einmal einen nach einem Blitzschlag gefällt und die Jahresringe gezählt hatten, aber er traute sich nicht zu, abschätzen zu können, wie stark Festungsmauern oder Statuen in 1.000 Jahren verwitterten. Und je näher wir dem Sommerfeld kamen, desto mehr fürchtete er sich davor, was ihn dort erwarten würde.
    Er wurde von Sirr aus seinen Gedanken gerissen. Lautlos hatte sie sich wieder zu uns gesellt und wollte uns etwas zeigen.
    Irgendwo hinter der dicken Wolkendecke musste die Sonne gerade den Horizont erreichen, als die Elfe, die immer noch die Nachhut bildete, uns auf einen Vogelschwarm aufmerksam machte, der kaum sichtbar im Westen seine Kreise zog und sich dann wieder niederließ.
    „Etwas hat sie aufgeschreckt.“, sagte Sarn und alle wussten, dass er damit Chulak und seine Krieger meinte.
    „ Was machen wir jetzt?“, fragte Erich.
    „ Spurlos verschwinden in der Nacht.“, antwortete der Halken.
    Er hatte recht. Man konnte von Chulak nicht erwarten, dass er dumm genug war, alle bekannten Rast- und Wachstationen abzulaufen, denn es gab hunderte von Plätzen, an denen sie sich verstecken konnten. Und sobald sie erst einmal weit genug nach Osten vorgedrungen waren, ohne dass Chulak sie fand, würde er sie auch nicht mehr einholen. Mit Sicherheit würde er sich nach Süden wenden und die wichtigsten Pässe über die Berge bewachen lassen. Was sollte er auch anderes tun? Vielleicht würde er uns sogar zum Sommerfeld folgen, aber da er sorgfältig nach unseren Spuren suchen musste, war er langsamer und unser Vorsprung bis dahin bestimmt so groß, dass er uns niemals einholen konnte.
    Wir erreichten wie Sarn vorhergesagt hatte das Wäldchen am See, wo wir Halt machen sollten, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Sarn musste schon einmal hier gewesen sein, denn er suchte eine ganz bestimmte Birke und fand eine Markierung an ihrem Stamm, die er wohl selbst vor etlichen Jahren hier angebrachte hatte. Während er und die anderen das Nachtlager vorbereiteten, hatte Erich Gelegenheit sich ihren Rastplatz genauer anzusehen. Das Wäldchen lag zum Teil am Ufer und zum Teil auf einer kleinen Insel, die wie angespült am Ufer des Sees lag. Durch eine kleine Brücke aus umgestürzten und überwucherten Bäumen war sie mit dem Festland verbunden. Der Boden auf der Insel war weich und federte unter jedem seiner Schritte zurück und Erich fühlte sich unwohl, als er darüber hinwegging. Da es in den letzten Tagen immer wieder geregnet hatte, war der Spiegel des Sees angestiegen und die Bäume am Rand der Insel standen mindestens kniehoch unter Wasser. Im letzten Dämmerlicht konnte Erich erkennen, wie sich diese Bäume seltsam nach innen neigten, so als würden sie versuchen vom Wasser wegzukommen. Er wurde nicht recht schlau daraus, wie das sein konnte. Hatte vielleicht der Wind sie nach innen gedrückt? Oder waren sie

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