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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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noch alle da?
    Während sie weitergingen, blickte Erich sich um und blieb sofort stehen, weil er Sirr kaum noch sehen konnte.
    „ Schau nach vorne.“, wies Sarn ihn an. „Der Rest ist nicht deine Aufgabe. Wir kommen schon nach.“ Erich nickte und Sarn fügte etwas versöhnlicher hinzu: „Halt dich ein bisschen weiter rechts, da ist der Boden trockener.“
    Erich musste Sarn Recht geben. Er war so darauf konzentriert gewesen die Richtung nicht zu verlieren, dass er überhaupt nicht darauf geachtet hatte, dass im Süden das Land sanft anstieg und somit trockener war. Als sie wenig später ein paar verkrüppelte Kiefern passierten, klopfte Sarn Erich wortlos auf die Schulter und löste ihn damit ab.
    Während sich Erich erleichtert hinter den Halken und Kern zurückfallen ließ, spürte er, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. War das Stolz? War er stolz darauf, dass er seine Aufgabe gemeistert hatte und damit einen Wert für die Gruppe besaß? Oder lag es einfach nur daran, dass seine Kleidung langsam wieder trocken wurde? Erich war zu müde, um sich lange darüber Gedanken zu machen, aber zumindest fühlte er sich besser als zuvor.
    Dieser kleine Triumph verkürzte ihm die Stunden bis zur ersten und einzigen Rast am zweiten Tag unserer Reise. Wir hielten an einem Ort, wo mehrere kreisrunde Moospolster wuchsen, an dem ansonsten aber nichts weiter bemerkenswert war. Im Verlauf des Vormittags waren wir schon an einigen Plätzen vorbeigelaufen, die Erich geeigneter gefunden hätte, um dort Rast zu machen. Er wollte gerade fragen, warum sie ausgerechnet hier hielten, als die anderen ihre Messer hervorzogen, um das Moos in handbreite Streifen zu schneiden und vom Boden zu ziehen. Während sie erneut etwas Trockenfleisch und einige harte Kekse aßen, polsterten Sarn, Kern und der Halken mit dem Moos ihre Schuhe aus und legten es auch unter die Trageriemen ihrer Rucksäcke. Erich folgte verwundert ihrem Beispiel und stellte fest, dass er auf dem Moos erst einmal lief wie auf glitschigem Schlamm. Er wollte schon fragen, was das bringen sollte, als er feststellte, dass das Moos mit der Zeit trocknete, sich festtrat und wie eine schützende Hornhaut um seine Fußsohlen legte. Außerdem verschwand auf wundersame Weise die Müdigkeit in seinen Beinen und Schultern. Es war eine Wohltat, die aber leider nur ein paar Stunden lang anhielt.
    Nur Sirr kümmerte sich nicht um das Moos. Wie hätte sie es auch an ihren nackten Füßen befestigen sollen?
    „ Nimm dir etwas als Vorrat mit, aber nicht zu viel, wir wollen nicht mehr Spuren hinterlassen als unbedingt notwendig.“, wies Sarn ihn an. „Außerdem verliert es seine schmerzlindernde Wirkung schnell. Aber du wirst das Moos später noch sehr nützlich finden, wenn du das Trockenfleisch nicht verträgst.“
    Erich hatte gerade noch Zeit ein paar Bissen zu essen und sich über diesen Hinweis zu wundern, als wir auch schon wieder aufbrachen. Für kurze Zeit hörte es zeitweise ganz auf zu regnen, aber das machte keinen Unterschied mehr. Wir ließen den trockenen Boden mit den Kiefern hinter uns, und die Hürnin marschierten erneut durch tückisches Sumpfland und mussten sich durch immer tiefere Gräben und Tümpel kämpfen. Bis auf Sirr, die bis zu ihren Knien im Wasser stehen und dennoch auf wundersame Weise wieder mit trockener Kleidung aus einem Teich hervorkommen konnte, waren sie wieder ununterbrochen nass und mussten sich einfach damit abfinden. Erich hätte zu gerne gewusst, wie Sirr es anstellte, das Wasser von sich fern zu halten, aber er traute sich nicht sie anzusprechen. Die meiste Zeit hielt sie sowieso einen zu großen Abstand zu den anderen, als dass man mit ihr hätte reden können.
    Es dauerte nach der Rast etwa eine Stunde, bis Erich auf unangenehme Weise herausfand, wozu man das Moos sonst noch verwenden konnte. Es war nicht das erste Mal, dass sich seine Gedärme irgendwo weit entfernt von jedem Nachttopf oder Abort meldeten, aber während er noch ein Kind war, hatten seine Zieheltern auf dem Feld oder bei Sammelgängen durch den Wald immer ein paar Lumpen dabei gehabt, mit denen er sich nach verrichtetem Geschäft säubern konnte. Hier blieb ihm nur das Moos. Während Erich hinter einem Busch dahockte und versuchte möglichst keine peinlichen Geräusche von sich zu geben, wurde ihm plötzlich bewusst, in welcher Lage er sich eigentlich befand. Die anderen waren schon ein Stück weit entfernt und es würde nicht mehr lange dauern, bis er sie nicht mehr sehen

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