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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Keller
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konnte.
    Erich war ein Ausgestoßener unter Ausgestoßenen und für einen kurzen Augenblick fragte er sich, ob es einen Unterschied machen würde, wenn er einfach hier hinter diesem Busch sitzen bleiben und die anderen weiterziehen lassen würde.
    Sarn würde nach ihm suchen, keine Frage, aber wie schnell würde er die Suche aufgeben? Ich sah die Zweifel in seinem Gesicht und ich weiß nicht, was mich dazu trieb zu sagen:
    „ Ihr seid der Herr über euer Leben. Ich werde euch folgen, egal welche Entscheidung ihr trefft. “
    Erich sah mich mit einem seltsamen Blick an und schien zu einem Entschluss zu kommen.
    „Danke, aber für den Anfang wäre es schon schön, wenn du mir jetzt gerade nicht zuschauen würdest.“, antwortete er, warf das benutzte Moos unter die Büsche, zog seine Hosen hoch und schloss im Laufschritt zu den anderen auf. Ich war ein wenig überrascht. Da ich selbst keinen Körper in dieser Welt hatte, fiel es mir schwer, mich in alle Gefühle hineinzuversetzen, die so ein Körper mit sich brachte. Ich wusste, wie es sich anfühlte, wenn Erich verletzt wurde, aber Scham über natürliche Vorgänge war etwas, das man wohl selbst erlebt haben musste, um es begreifen zu können.
    Doch ich sollte bald noch zahlreiche Gelegenheiten bekommen, um dazuzulernen. Der Körper mit seinen Funktionen und Reaktionen gewann immer mehr Bedeutung, je länger sich die Hürnin unter freiem Himmel bewegten und schien mit der Zeit immer mehr Macht über alle außer Sirr zu gewinnen.
    Als Erich den Weg nach Hornhus bewältigt hatte, musste er zwar mit Hunger und Kälte kämpfen, aber er war noch gestärkt vom Ritual und außerdem war das Ende der Reise absehbar. Ich wusste wie weit Hornhus entfernt lag und wann wir die Stadt ungefähr erreichen würden. Von der Lage unseres Ziels hatte ich keine Ahnung, aber ich stellte mich schon mal auf eine wochen- wenn nicht sogar monatelange Reise ein. Das bedeutete, dass der Körper Zeit hatte sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Sobald diese Umstellung vollzogen war, würde Erich sich vom Regen genauso wenig beeindrucken lassen wie Sarn oder Kern, aber bis dahin hatte er mit aufgescheuerter Haut, Magengrimmen und Atembeschwerden zu kämpfen. Er würde Schwielen an den Füßen bekommen, eine gestärkte Beinmuskulatur und seine Haut würde immer dunkler werden.
    Auch am Nachmittag musste Erich wieder für kurze Zeit die Führung der Gruppe übernehmen und diesmal fühlte er sich nicht nur selbstbewusster, sondern hatte es auch um einiges leichter. Der Boden war nur noch an wenigen Stellen wirklich gefährlich und um die Richtung beizubehalten, musste er nur der Baumgrenze folgen, die deutlich sichtbar südlich von uns lag. Die ärmlichen Krüppelkiefern, die meist so schwach waren, dass sie vom Moos vollständig überwuchert wurden, zogen sich wie die Perlen auf einer Kette nach Südosten hin. Noch weiter im Süden, wo wir manchmal in der Ferne die Berggipfel aufragen sahen, standen richtige Wälder, aber es gab für Sarn anscheinend keinen Grund diesen Weg einzuschlagen.
    „Je tiefer du in den Wald gehst, desto mehr Monster gibt es mehr, die dein Pferd fressen können.“, sagte Kern leichthin, als er bemerkte, wie Erich in den Süden spähte und es war nicht zu entscheiden, ob er das aufmunternd meinte oder nicht.
    „ Es gibt nur ein paar sichere Pässe über die Berge.“, erklärte Sarn, als auch er Erichs Blick sah. Inzwischen konnten sie bequem nebeneinander hergehen, ohne irgendwo einzusinken, liefen aber dennoch die meiste Zeit hintereinander, um nicht mehr Spuren zu hinterlassen als nötig. „Wir werden sie so weit im Osten wie möglich überqueren. Dort müssen wir am wenigsten Angst davor haben, einem Wolfsrudel, Bären oder einem Zwergenclan in die Hände zu fallen. Und wer weiß, was sich inzwischen sonst noch so dort herumtreibt. Chulak wird trotzdem nicht davon ausgehen, dass wir die Berge im Osten überqueren. Er wird im Süden nach unseren Spuren suchen.“
    „ Und Du kennst auch den Grund dafür. Du weißt, wohin der östlichste Pass führt.“, stellte Sirr fest. Ein Vorwurf lag in ihrer Stimme, den Erich nicht deuten konnte. Ihre Worte wurden erst klarer, als sie weitersprach. „Du weißt, was dahinter liegt.“
    „ Ja, das Sommerfeld. Kein Hürnin, der noch bei Verstand ist, würde uns freiwillig dahin folgen. Dorthin wird Chulak nicht gehen.“
    Alle warfen Kern einen misstrauischen Blick zu, ob er etwas dazu zu sagen hatte, aber er popelte nur

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