Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
krank?
Als er zur Mitte der Insel zurückkehrte, hatten die anderen schon ihre Tücher zwischen den Baumstämmen gespannt und in einer Mulde ein kleines Feuer entzündet, dessen Rauch träge auf den See hinauszog und sich dort mit dem Nebel vermischte. Erich schüttelte sich das Wasser aus den Haaren und setzte sich zu ihnen.
„Macht es dir etwas aus, zusammen mit dem Halken die erste Wache zu übernehmen?“, wollte Sarn von ihm wissen und Erich schüttelte den Kopf. An so etwas wie Nachtwachen hatte er noch gar nicht gedacht. In der vergangenen Nacht hatte er sich einfach hingelegt, während die anderen für ihn die Wache übernommen haben mussten. Er bekam mit einem Mal auch ein schlechtes Gewissen, dass er den anderen nicht dabei geholfen hatte das Lager aufzubauen. Er wusste noch nicht einmal, was es dabei eigentlich zu tun gab. Er beschloss es das nächste Mal besser zu machen und den Halken danach zu fragen, wenn es bei ihrer Wache Gelegenheit dazu gab.
Doch zunächst bereiteten sie sich weiter auf die Nacht vor. Sie hängten ihre Kleidung über dem mehr vor sich hin glimmenden als brennenden Feuer zum Trocknen auf, überprüften die Rucksäcke auf undichte Stellen und Sirr begann am Feuer mit einem breiten Tonkrug zu hantieren, den sie mit allerhand Sachen füllte, die Erich in der zunehmenden Dunkelheit nicht erkennen konnte, und dann in die Glut stellte.
„Wenn du uns töten willst, nimm kein Gift.“, sagte der Halken, nachdem er an dem Topf geschnuppert hatte. „Gift ist würdelos. Wirkt nicht bei Orks.“
Sirr sah keinen Grund darauf zu antworten und der Halken musste sich auch keine großen Sorgen machen. Da er zusammen mit Erich die Nachtwache begann, würde er eh nur das zu Essen bekommen, was die anderen übrig ließen.
Nachdem er seine Kleidung gewechselt hatte, folgte Erich dem Ork in die Dunkelheit und postierte sich mit ihm am Rand der Insel, nah an der natürlichen Brücke. Der Halken war gleich zum Festland gelaufen und hatte ihm aufgetragen zu warten, bis er zurück war. Erich fragte sich, warum er noch einmal auf das Festland zurückging, aber dann fiel ihm ein, dass der Halken bestimmt wieder den Weg mit seinen Glühwürmchen oder anderen Tieren präparieren würde, um frühzeitig gewarnt zu sein.
Und plötzlich stand der massige Ork wieder vor ihm. Obwohl es nur einen einzigen Weg gab, den er nehmen konnte, und obwohl Erich angestrengt in die Nacht hinaus gespäht und gehorcht hatte, bemerkte er ihn erst, als er bereits direkt bei ihm stand.
„Halken! Wie hast Du das gemacht? Ich hab dich nicht kommen sehen!“
„ Lass die Augen kreisen.“, riet ihm der Halken. „Wenn sie verharren, werden sie schwach.“
Erich probierte es aus und tatsächlich: Sobald er einen Punkt nicht mit seinem Blick fixierte, sondern ihn umkreiste, konnte er besser sehen, was sich im Mittelpunkt befand, auch wenn ihm auf Dauer schwindelig davon wurde.
„Zeig Dein Messer.“, forderte der Halken ihn nach einer Weile unverblümt auf und obwohl man kaum die Hand vor Augen sehen konnte, zog Erich die handlange Klinge mit einiger Anstrengung aus der feuchten Lederscheide und reichte sie dem Halken mit dem Griff voran.
„ Sie ist feucht.“, brummte der missbilligend.
„ Das ist hier ja auch kein Wunder.“, verteidigte sich Erich
„ Wachs und Öl helfen.“, sagte der Halken und gab Erich das Messer zurück. „Kannst Du damit kämpfen?“, wollte er wissen.
Erich zuckte mit den Schultern. „Ich konnte mich damit verteidigen, als wir im Sumpf von den Ratten angegriffen wurden.“
Der Halken machte ein seltsames Geräusch, das Erich nach einigen Sekunden als Lachen identifizierte.
„ Ratten?“
Erich fiel ein, dass der Halken ja gar nichts von dem Angriff im Sumpf wissen konnte.
„Ja. Riesengroß. So wie die Asseln unten in der großen Halle.“
Das Lachen des Halken erstarb. Eine Weile schien er über etwas nachzudenken, dann fragte er: „Hattest Du einen Fleisch-Schmied? Einen Kampflehrer?“
„Nein. Was gibt es da auch schon groß zu lernen? Man stößt zu oder schneidet. Und wenn man schneller ist als der andere, dann überlebt man.“
Wieder dieses Lachen des Halken. „Der Halken wird auf Dich aufpassen. Geh Kämpfen aus dem Weg, wenn Du kannst. Der Halken wird dein Fleisch schmieden.“
Beleidigt und verunsichert zwängte Erich das Messer zurück in die Lederscheide und beobachtete weiter das in Dunkelheit gehüllte Ufer vor ihnen. Wie er es gelernt hatte, ließ er seine Augen
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