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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wahrscheinlich haben wir sie eingeholt, bevor es wieder dunkel wird.«
    So einfach würde es nicht werden, das wusste Andrej, und Sharif zweifellos auch. Aber er fragte: »Wie lange wisst Ihr das schon?«
    »Seit einer Stunde oder zwei«, antwortete Sharif, kam Andrejs ärgerlicher Antwort aber sofort zuvor. »Ich bitte Euch, Andrej habt Ihr wirklich geglaubt, ich würde mit einer ganzen Armee losziehen, um ein paar Fanatiker zu jagen? Er war die ganze Zeit bei ihnen.«
    »Und woher wusstet Ihr das?«
    »Er ist nicht der Einzige, dem es gelungen ist, ein Paar aufmerksamer Augen und Ohren in die Reihen seiner Gegner einzuschleusen«, erwiderte Sharif.
    »Du hast einen Spion in den Reihendes Machdi?«, fragte Abu Dun aufgeregt. »Wer ist es?«
    Sharif bedachte ihn nur mit einem mitleidigen Blick. Abu Dun machte eine unwillige Geste. »Nicht dein Spion, der interessiert mich nicht. Der Machdi! Kennen wir ihn?«
    »Noch nicht«, antwortete Sharif wenn auch erst nach einem fast unmerklichen Zögern, das Andrej erneut misstrauisch stimmte. »Doch wir wissen, dass er bei ihnen war, und ich bin sicher, dass ich ihn erkennen werde, wenn ich ihm gegenüberstehe. Und wenn nicht ich, dann ihr.«
    Andrej war nicht sicher, ob es sich dabei um eine Frage oder eine Feststellung handelte, und überging die Bemerkung kurzerhand. Sharif ließ noch eine weitere Sekunde verstreichen, ehe er mit einem enttäuschten Schulterzucken fortfuhr: »Und wenn nicht, dann töten wir sie eben alle.«
    »Du ganzallein, nehme ich an«, spöttelte Abu Dun. Sharif sah auf die knienden Gefangenen hinab. »Wenn sie sich alle in so einem erbärmlichen Zustand befinden.«
    »Dann wäre es kein Kampf mehr, sondern Mord«, sagte Abu Dun, fuhr übertrieben zusammen und machte ein schuld bewusstes Gesicht. »Aber verzeih! Wie du mir ganz richtig erklärt hast, wäre es kein Mord, sondern eine Erlösung.«
    »Für ein Leiden, das nicht ich über sie gebracht habe«, erwiderte Sharif. Andrej sah, wie Abu Dun zu einer weiteren Antwort ansetzte (nachdem er sich eine neue Handvoll Kat-Blätter genehmigt hatte), und sagte rasch:
    »Wie viele Gefangene habt Ihr gemacht?«
    »Nur diese hier«, erwiderte Sharif. »Was immer man auch gegen diese Fanatiker sagen will, sie sind tapfere Krieger, die nicht aufgeben. Die meisten sind zwar geflohen, als sie begriffen haben, in welcher Lage sie sich befinden. Ihr Vertrauen in die Kraft, die ihnen das Wort ihres neuen Propheten verleiht, war am Ende wohl doch nicht so groß. Aber die, die nicht fliehen konnten, haben bis zum bitteren Ende gekämpft. Keiner hat sich freiwillig ergeben.«
    Der Zynismus in seiner Stimme widerte Andrej an, doch er schluckte die Antwort hinunter, die ihm auf der Zunge lag, und warf auch Abu Dun einen fast beschwörenden Blick zu. Ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten verzichtete Abu Dun auf die günstige Gelegenheit und gab nur einen halb schmatzenden, halb rülpsenden Laut von sich. Jetzt war es Sharif, der ihm einen ärgerlichen Blick zuwarf.
    »Aber Ihr habt uns nicht nur hierhergeführt, um uns Eure Gefangenen zu zeigen«, vermutete Andrej. »Nein«, gestand Sharif freimütig. »Kommt mit!« Der Weg war nicht besonders weit, vielleicht ein oder zwei Dutzend Schritte, und endete vor einem gewaltigen Berg aus Schutt, Erde und zerborstenem Stein, wo ein Teil der Decke eingestürzt war. In dem unheimlichen roten Fackelschein war das wahre Ausmaß der Zerstörung nicht zu erkennen, doch Andrej nahm an, dass es ebenso zyklopisch war wie alles hier. Der Einsturz musste lange zurückliegen, denn selbst der Staub zwischen den zerborstenen Felsen war wieder versteinert.
    Wie viele Jahrtausende dauerte so etwas?
    »Durch diesen Spalt bin ich damals hereingekommen, als ich das erste Mal hier war«, sagte Sharif.
    »Da durch?«, vergewisserte sich Abu Dun. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran aufkommen, was er von dieser Behauptung hielt.
    »Es ist lange her«, antwortete Sharif. »So lange, dass ich manchmal vergesse, wie lange wirklich … ändert sich das jemals?«
    »Was?«, fragte Abu Dun schmatzend.
    »Die Jahre«, erwiderte Sharif. »Hört man irgendwann auf, sie zu zählen?«
    »Das kommt ganz darauf an, wie weit du zählen kannst«, erwiderte Abu Dun. Andrej wusste nicht genau, worüber er sich mehr wundern sollte: dass Sharif diese Frage überhaupt stellte oder wie unverblümt Abu Dun sie beantwortete.
    »Ich war noch ein Kind«, sagte Sharif. »Vielleicht sieben oder acht Jahre alt … obwohl

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