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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich mich frage, ob ich nicht noch viel jünger gewesen sein muss, wenn ich sehe, wie schmal dieser Spalt ist.«
    »Vielleicht warst du ja ein ganz besonders zartes Kind«, schlug Abu Dun vor und rülpste.
    »Eher nicht«, erwiderte Sharif amüsiert. »Vielleicht ist es ja doch länger her, als mich meine Erinnerung glauben machen will.«
    Andrej war klar, worauf er hinauswollte. Es war nicht die erste Andeutung dieser Art. »Wie habt Ihr diesen Ort gefunden?«
    »Ich bin nicht weit von hier geboren«, erinnerte Sharif.
    »Ihr wisst, wie Kinder sind. Uns war verboten, in der Nähe des Flusses oder der Königsgräber zu spielen, aber das Verbotene wird für Kinder nur umso interessanter, je strenger das Verbot ist.«
    »Nicht nur für Kinder«, sagte Abu Dun.
    Statt zu antworten, ließ sich Sharif vordem Spalt in die Hocke sinken und streckte die Hand aus, wie um die Erinnerung nun tatsächlich zu ergreifen. »Ich bin im Schatten dieser Pyramiden aufgewachsen. Mein Vater war …« Er suchte einen Moment nach Worten, und schließlich schlug Andrej vor: »Grabräuber?« »Manche würden ihn zweifellos so nennen«, gestand Sharif. Er klang nicht verletzt. »Und das vermutlich sogar mit Recht, von einem gewissen Standpunkt aus.« »Und von einem anderen?«
    Sharif stand wiederauf und hob die Hand, aber er tat es auf eine Art, dass in Andrej leiser Zweifel aufkam, ob es nicht ein Befehl gewesen war ein Befehl an etwas, das in der Dunkelheit und hinter dem roten Licht der Fackeln verborgen lauerte. »Auch wenn man es beim Anblick dieser jämmerlichen Ruinen vielleicht nicht mehr glauben mag, aber dies war einmal ein sehr mächtiges Land, Andrej. Das gewaltigste Reich, das diese Welt je gesehen hat, und es hat Jahrtausende überdauert. Kein anderes Reich hat auch nur annähernd so lange existiert, und keines wird jemals so lange existieren wie das der Pharaonen. Manche behaupten, sie seien Götter gewesen, die für eine Weile unter den Menschen gelebt hätten.« »Und Ihr?«, fragte Andrej. »Ich weiß es nicht«, antwortete Sharif. »Ihr habt meinen Vater einen Grabräuber genannt, und viele würden Euch damit vermutlich recht geben … aber ist es Diebstahl, wenn wir uns nehmen, was unseren Vorfahren gestohlen worden ist? Die Pharaonen haben sich als Götter verehren lassen. Ein Menschenleben galt ihnen nichts, und der Reichtum ihres Landes war nur ihr Reichtum, nicht der ihres Volkes, und Freiheit war für sie wohl nur ein Wort, ohne Bedeutung …« Andrej meinte zu spüren, wie sich der Blick unsichtbarer Augen auf sein Gesicht richtete. »Kommt Euch diese Beschreibung irgendwie bekannt vor, Andrej?«
    »Wahrscheinlich trifft sie auf die meisten zu, die über allumfassende Macht gebieten«, antwortete Andrej. »Ich weiß, Ihr wollt jetzt den Namen Süleyman von mir hören, und zweifellos zu Recht aber glaubt mir, nur sehr wenige sind stark genug, der Verlockung zu widerstehen, die von absoluter Macht ausgeht.« »Und jetzt fragt Ihr Euch, ob ich zu diesen wenigen gehöre?«, überlegte Sharif laut.
    »Tut Ihres?«
    »Entscheidet Ihr«, sagte Sharif.
    »Im Augenblick frage ich mich, mit wem ich überhaupt rede«, gestand Andrej. »Mit dem Befehlshaber von Süleymans Janitscharen und seinem obersten Spion oder dem Machdi.«
    »Und jetzt überlegt Ihr, ob das überhaupt ein Unterschied ist«, antwortete Sharif lächelnd.
    »Seit wann lest Ihr unsere Gedanken?«, fragte Abu Dun schmatzend.
    »Das ist nun wirklich kein Kunststück, wenn man sie so deutlich auf euren Gesichtern ablesen kann«, antwortete Sharif. » Ich würde mir diese Frage an Eurer Stelle stellen.
    Und ich halte Euren Freund für einen sehr klugen Mann.«
    »Und jetzt erwartest du von uns, dass wir dich für mindestens genauso klug halten«, vermutete Abu Dun.
    »Du bist mutig, das muss man dir lassen. Hast du gar keine Angst, dass wir den Auftrag ausführen könnten, den dein Herr uns gegeben hat?«
    Statt auf die Provokation zu reagieren, machte Sharif eine ausholende Geste und sagte: »Ich habe Euch nicht nur hierher gebracht, um Euch die Gefangenen zu zeigen, Andrej. Ich wollte, dass Ihr das hier seht.«
    »Einen vergessenen Keller«, bemerkte Abu Dun. »Wie spannend.«
    »Ich war noch ein Kind, als ich es entdeckt habe«, sagte Sharif unbeeindruckt und so direkt an Andrej gewandt, als wäre der nubische Riese neben ihm gar nicht da.
    »Viel zu jung und viel zu ängstlich, um auch nur einen Bruchteil von alledem hier zu erkunden. Diese Gänge ziehen sich

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