Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
braunschwarzen Schwaden sammelte, als zöge ein Gewitter in dem unterirdischen Verlies auf. Die Luft war schon jetzt so schlecht, dass man sie kaum noch atmen konnte und jeder, der sich lange genug hier aufhielt, Gefahr lief, qualvoll zu ersticken. Und vielleicht war das ja auch beabsichtigt, dachte Andrej, als er die gefesselten Männer sah, die auf der anderen Seite der Kammer aufgereiht waren, nur von einem einzigen Mann bewacht, der seine Muskete nachlässig gegen die Wand gelehnt hatte, es aber bei Sharifs Eintreten eilig hatte, sie wiederaufzunehmen. Sharif schien jedoch in großmütiger Laune zu sein, denn er winkte nur beiläufig ab und wirkte auch nicht verstimmt. Vermutlich genoss er immer noch seinen Sieg. Aber mehr als dieser eine Mann war auch gar nicht nötig, um die Gefangenen zu bewachen und vielleicht nicht einmal der. Allen waren die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, und jeden, der dazu noch in der Lage war – weniger als die Hälfte –, hatte man gezwungen, sich in einer mehr als unbequemen Haltung hinzuknien, was in Andrejs Augen nichts als ein Akt überflüssiger Grausamkeit war. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihre Wunden zu versorgen. Der Raum stank nicht nur nach Qualm, sondern auch nach Krankheit und Leid und Tod, und auch und vor allem so durchdringend nach Blut, dass Andrej instinktiv stockte und eine uralte und unwillkommene Gier tief in sich spürte.
Viel mehr als das erschreckte ihn der Anblick der Gesichter. Er hatte Furcht erwartet, vielleicht Verzweiflung und Trotz oder ein fatalistisches Fügen in das Unvermeidliche, aber da war kein menschliches Empfinden mehr, nichts … Lebendiges. Tief in ihren Augen schien ein verzehrendes schwarzes Feuer zu brennen, aber vielleicht sah er auch das ja nur, weil er es erwartete.
»Was ist mit diesen Männern passiert?«, fragte er. »Hast du sie gefoltert?«, fügte Abu Dun hinzu. »Ich hätte es getan, wäre es nötig gewesen«, gab Sharif unumwunden zu. »Aber das war es nicht. Ich empfinde kein Vergnügen daran, Menschen ohne Grund Schmerzen zuzufügen.«
»Und mit Grund?«, fragte Abu Dun.
»Was haben sie Euch erzählt?«, fragte Andrej rasch. Aus den Augenwinkeln sah er, wie auch Abu Dun näher kam und sich vor einem der Gefangenen in die Hocke sinken ließ. Schon fast brutal legte er ihm die Hand unter das Kinn und zwang ihn, ihn anzusehen, schüttelte aber dann beinahe unmerklich den Kopf und stand wieder auf.
Er spürte es auch, dachte Andrej. Es war nicht nur das Kat oder die Wunden, die Sharifs Männer ihnen zugefügt hatten. Da war etwas Verdorbenes in ihnen, etwas, das ihre Seelen vergiftete.
»Nicht sehr viel mehr, als wir schon wussten«, antwortete Sharif. »Und einiges, das ich nicht wusste, aber gehofft habe.« Er stupste einen der Männer mit dem Fuß an, woraufhin dieser zurück- und mit dem Hinterkopf gegen die Wand prallte. »Ihr Kat geht zur Neige. Sie scheinen immer mehr davon zu brauchen, und je mehr Kraft es ihnen verleiht, desto rascher verzehrt es sie auch.« Flüchtig streifte sein Blick Abu Dun, und Andrej hatte das Gefühl, dass er nur mühsam ein zufriedenes Nicken zurückhielt. »Aber das wusste ich bereits.« »Seit wann?«, fragte Abu Dun. Sharif ignorierte ihn. »Viel wichtiger ist etwas anderes«, fuhr er fort. »Ich hatte gehofft, dass es so ist, aber sie haben es bestätigt.«
»So wie sie aussehen, würden sie dir alles sagen, was du hören willst«, sagte Abu Dun. Sharif ignorierte ihn weiter.
»Der Machdi«, sagte er. »Er ist bei ihnen.«
»Er ist hier?«, wiederholte Abu Dun überrascht, und dieses Mal schenkte ihm Sharif immerhin einen leicht verächtlichen- Blick.
»Nicht unter den Toten oder den Gefangenen«, sagte er. »So viel Glück hatten wir leider nicht. Er ist bei denen, die entkommen sind. Aber wir kennen ihr Ziel, und wir werden sie rasch aufspüren. Mach dir keine Sorgen, mein Freund.« Er zeigte auf den halb bewusstlosen Mann.
»Sieh ihn dir an! Die meisten sind in kaum besserem Zustand. Was glaubst du, wie lange sie noch durchhalten?«
»Du weißt, dass dieser Kerl da draußen ist, und vertreibst dir die Zeit damit, wehrlose Gefangene zu verprügeln?«, fragte Abu Dun.
»Du kennst die Wüste, mein Freund«, antwortete Sharif. »Am Tage ist sie grausam, aber bei Nacht tödlich.
Sie wird die Hälfte von ihnen umbringen, noch bevor die Sonne das nächste Mal aufgeht. Lass sie ihre Kräfte vergeuden. Morgen früh, wenn es hell wird, nehmen wir ihre Spur auf, und
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