Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
unmöglich in Worte zu fassende, körperlose Weise. Da war etwas, etwas Unsichtbares und Uraltes, das ihn aus den Schatten zwischen den Realitäten heraus belauerte. Murida redete weiter, doch Andrej schenkte ihr keine Beachtung mehr, sondern stürmte los und kam gerade noch rechtzeitig am Ufer an, um zu sehen, wie Fernandes auf dem Absatz herumfuhr und durch das aufspritzende Wasser auf eines der kleinen Schiffe zustürmte, auf dessen Deck sich Schatten bewegten. Jemand hatte eine Laterne entzündet, die gelbe Irrlichter im Wasser zu kurzem Leben erweckte.
Irgendjemand schrie etwas, das Andrej nicht verstand, und er roch Schießpulver. Nicht einer des guten Dutzends Janitscharen, das hier am Ufer zusammengelaufen war, hatte seine Waffe angelegt, aber die meisten Musketen waren offensichtlich schon geladen. »Was geht hier vor?«, begann Andrej, noch bevor er Sharif ganz erreicht hatte.
Der Janitscharenhauptmann fuhr herum, und im allerersten Moment war Andrej sicher, dass sich sein Zorn nun auf ihn entladen würde, doch dann beließ er es bei einem trotzigen Schulterzucken und einem verächtlichen Schnauben.
»Dieser Narr!«, fauchte er. »Ich wusste, dass ihm nicht zu trauen ist, aber ich hätte ihn nicht für einen Feigling gehalten!«
Andrej sah fragend zu dem Spanier hin, der in die Dau kletterte. Zwei seiner Männer streckten ihm die Hände entgegen, um ihm zu helfen, doch er schlug sie wütend zur Seite und kletterte aus eigener Kraft an Deck, wenn auch ein wenig ungelenk.
»Ein Feigling?«
»Und ein Dummkopf dazu!«, polterte Sharif. »Er weigert sich, uns weiter zu begleiten!«
»Das kann ich verstehen«, sagte Andrej »Ich auch!«, sagte Sharif. »Aber dieser Narr glaubt allen Ernstes, sie hätten eine Chance, lebendig zurück nach Cairo zu kommen! Er wollte, dass ich ihnen die Hälfte der Schiffe überlasse!«
»Und warum tut Ihr es nicht?«, fragt Abu Dun, der von dem Lärm angelockt ebenfalls herankam. »Ein unzuverlässiger Verbündeter ist kein Verbündeter, sondern eine Gefahr.«
»Und ihm die Hälfte der Vorräte und Munition überlassen?«
»Für die zwei Tage bis Cairo werden sie nicht viel brauchen«, erwiderte Abu Dun.
»Ja, und als Nächstes gehen dann meine Männer«, versetzte Sharif. Er schüttelte den Kopf und fuhr mit der Hand durch die Luft, um die Endgültigkeit seiner Entscheidung zu unterstreichen. »Niemand geht, und dabei bleibt es!«
»Vielleicht hat der schwarze Mann recht, und du solltest sie gehen lassen.« Murida trat demonstrativ neben Andrej und deutete zum Fluss hinab. »Sie bringen keinen Nutzen mehr.«
Andrej hätte nicht sagen können, wer erstaunter über Muridas plötzlichen Sinneswandel war, Sharif, Abu Dun oder er selbst. Sharif machte ein wütendes Gesicht, beherrschte sich aber, sodass sich Andrej schließlich nicht einmal mehr sicher war, wem das zornige Aufblitzen in seinen Augen tatsächlich gegolten hatte: Abu Dun oder Murida, die sich an Andrejs Schulter schmiegte, und das mit-wie ihm jetzt erst auffiel leicht derangierten Kleidern und zerzaustem Haar. Und nur für den Fall, dass es bisher noch nicht alle gesehen hatten, begann sie nun auch noch unauffällig an ihrem Gewand zu zupfen. Da wehte vom Fluss ein zorniger Schrei heran, dann platschte es laut, gefolgt von einem kurzen schadenfrohen Lachen aus zahlreichen Kehlen, das fast augenblicklich wieder verstummte. Eine Gestalt versuchte mit hektischen Bewegungen wieder an Bord des Schiffes z u klettern, aus dem sie offensichtlich gerade gefallen war. Hinter ihr war noch etwas im Wasser, etwas Glitzerndes, das nach ihr schnappte. Es gelang dem Mann, sich in Sicherheit zu bringen, bevor das Krokodil heran war, aber es war sehr knapp.
»Wir fahren weiter, sobald die Sonne aufgegangen ist«, fuhr Sharif in bestimmtem Ton fort. »In zwei Tagen erreichen wir die Katarakte. Dann reden wir noch einmal darüber, aber für den Moment bleiben sie bei uns!« »Ihr wisst, wie man sich Freunde macht, Hauptmann«, sagte Abu Dun spöttisch.
Sharifs Antwort bestand lediglich aus einem bösen Blick. Er hob die Hände an den Mund und rief: »Macht die Schiffe fertig, Capitan! Wir brechen in einer Stunde auf!« Sie hörten eine auf Spanisch geblaffte Beleidigung, die, dachte Andrej, Fernandes noch bitter bereuen würde, aber auf dem Schiff war sofort reges Treiben zu beobachten, als die Matrosen Taue zu lösen und Segel aufzuziehen begannen. Zugleich verteilten sie sich auf den Schiffen der kleinen Flotte, wobei sie
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