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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Er ist auch schwer zu übersehen.«
    »Und er ist vor allem leer«, sagte Murida.
    »Führt er sonst mehr Wasser oder mehr Krokodile?« »Das weiß ich nicht«, antwortete Murida ernsthaft.
    »Aber was ich weiß ist, dass der Nil die Lebensader dieses Landes ist. Wenn man es genau nimmt, dann besteht ganz Ägypten praktisch nur aus diesem Fluss.« Andrej blieb abermals stehen, um den gewaltigen Strom zu betrachten, der an dieser Stelle so breit war, dass man das gegenüberliegende Ufer mehr erahnen als sehen konnte. »Ich verstehe«, murmelte er. »Du meinst, er ist zu still.«
    »Ich will nicht sagen, dass er von Schiffen wimmeln sollte«, erwiderte Murida. »Aber man sollte doch meinen, dass auf einem Fluss dieser Größe und Bedeutung wenigstens ein einziges kleines Boot zu sehen ist. Oder?« Andrej ließ noch einmal die Tage an Bord der Elisa in Gedanken Revue passieren, ehe er antwortete. Tatsächlich war kein Augenblick vergangen, in dem nicht gleich mehrere Schiffe auf dem Fluss unterwegs gewesen waren, auch wenn sie die unmittelbare Nähe des großen Schiffes gemieden hatten. Jetzt lag der Nil wie ausgestorben da, und im Nachhinein wurde ihm auch klar, dass es auch in der zurückliegenden Nacht und an dem Tag davor so gewesen war. »Ich verstehe. Du meinst, dass hier etwas nicht stimmt.« Murida schüttelte heftig den Kopf. »Im Gegenteil. Ich finde, dass alles ganz genau so ist, wie es sein soll … aber das kommt natürlich ganz auf den Standpunkt an.« Eine Zeit lang schritten sie schweigend nebeneinanderher, dann fragte Andrej: »Warum sagst du mir das?«
    »Weil es nichts ändern würde, wenn ich es nicht täte«, antwortete sie freimütig. »Und weil ich ehrlich gesagt erwartet habe, dass du es ohnehin schon weißt.« Wenn sie ihn mit dieser Bemerkung ärgern wollte, dann hatte sie ihr Ziel erreicht, doch Andrej hoffte, dass ersieh gut genug in der Gewalt hatte, um es sich nicht anmerken zu lassen. »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    Murida maß ihn mit einem seltsamen Blick und hob die Hand, um auf die vor ihnen gehenden Männer zu deuten.
    Die Kolonne hielt sich weiter auseinandergezogen und maß jetzt fast eine Viertelmeile von einem Ende zum anderen. Man musste kein so guter Beobachter wie er sein, um zu sehen, wie müde und erschöpft die schwarz gekleideten Soldaten waren. »Alle diese Männer werden sterben«, sagte sie. »Und eigentlich sind sie schon tot.
    Sie bewegen sich nur noch, aber das tut ein Fisch, der am Angelhaken zappelt, auch. Frag mich nicht, warum es so ist, aber aus irgendeinem Grund missfällt mir die Vorstellung, dass du sterben könntest.«
    »Mir auch«, sagte Andrej.
    Murida bedachte ihn mit einem strafenden Blick, und Andrej fuhr mit einem schmallippigen Lächeln fort: »Hast du nicht vor ein paar Stunden erst selbst behauptet, dass ich gar nicht sterben könnte?«
    »Kannst du es, Andrej?«, fragte Murida. Als Andrej schwieg, nickte sie. »Ja, das habe ich mir gedacht.« »Was soll das?«, fragte Andrej ärgerlich. »Wenn du mir etwas sagen willst, dann tu es, und hör mit diesem Unsinn auf!«
    »Weil du darin so viel besser bist als ich?«
    »Ich hatte mehr Zeit zum Üben«, versetzte Andrej scharf. »Also?«
    »Ich würde es wirklich begrüßen, wenn du auf die richtige Seite wechselst«, sagte Murida. »Nicht nur, weil du und dein Freund wertvolle Verbündete für uns wärt.«
    »Mit uns meinst du den Machdi?« In einer Imitation ihrer Geste deutete Andrej auf den Rücken des ersten Mannes vor ihnen. »Ist dir das Leben all dieser Männer wirklich so gleichgültig? Ich weiß, wie du über Süleyman denkst, und du hast vollkommen recht, aber diese Soldaten –«
    »Tun nur ihre Pflicht?«, fiel ihm Murida höhnisch ins Wort.
    Andrej nickte. »Ich glaube nicht, dass man ihnen die Wahl gelassen hat.«
    »Das weiß ich besser als du«, bestätigte Murida. »Aber was ändert es? Soll man sich nicht mehr gegen einen Tyrannen wehren, weil seinen Handlangern keine andere Wahl gelassen worden ist?«
    »Du machst es dir ein bisschen leicht, Mädchen«, antwortete Andrej. Er sah das Aufblitzen in Muridas Augen und fuhr mit leicht erhobener, schärferer Stimme fort: »Ich möchte nicht mit dir darüber diskutieren.
    Vielleicht später, wenn du …« Ersuchte nach den richtigen Worten und fand sie nicht. »Wenn alles vorbei ist.«
    »Wenn ich was?«, hakte Murida nach.
    »Wenn du wieder die bist, die ich kennengelernt habe«, antwortete Andrej.
    »Zwei Wochen jünger?«,

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