Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Antwort nicht so einfach war.
    Wieder fielen Schüsse, gefolgt von einem langen Schrei, der sich bis zu unmenschlicher Lautstärke steigerte, bevor er mit schrecklicher Plötzlichkeit abbrach. Andrej sah sich um, konnte aber seine Herkunft nicht erkennen – nicht, dass besonders viel Fantasie nötig gewesen wäre, sie sich vorzustellen. Dafür begriff er erschrocken, wie sehr sich die Situation in den wenigen Augenblicken, die er abgelenkt gewesen war, geändert hatte.
    Auch die anderen Boote waren in Schwierigkeiten. Das Segel der zweiten Dau brannte, und die Männer auf den beiden verbliebenen Ruderbooten lieferten sich eine regelrechte Seeschlacht mit den Machdiji, an deren Ausgang es nicht den geringsten Zweifel gab: Die Musketenkugeln der Janitscharen wüteten fürchterlich unter den Angreifern, aber die Übermacht war einfach zu groß, ganz egal, ob die Männer mit nahezu jedem Schuss trafen oder nicht. Der Fluss schien zu kochen. Überall trieben Wrackteile und brennendes Holz und Öl, Männer kämpften verzweifelt gegen das Ertrinken an oder versuchten vor den gepanzerten Ungeheuern zu fliehen, die in immer größerer Zahl zwischen ihnen auftauchten. Mit jeder Bootslänge, die sich die Machdiji ihren Opfern näherten, verloren sie weitere Männer, doch auch ihre Treffsicherheit nahm zu, ganz einfach, weil die winzigen Boote so hoffnungslos überfüllt waren, dass sie, auch ohne genau zu zielen, mit jedem Schuss einen Mann trafen. Sollte sich hinterher jemand die Mühe machen, die Toten zu zählen, würde die Bilanz schrecklich zuungunsten der Aufständischen ausfallen, dachte Andrej. Aber diese Schlacht würden sie gewinnen.
    »Also das ist nun wirklich seltsam«, sagte Abu Dun in fast schon amüsiertem Ton und mit gespitzten Lippen an einem einzelnen hellgrünen Blatt knabbernd. »Was?«, fragte Murida böse. »Dass eure gedungenen Mörder gegen einfache Bauern und Handwerker unterliegen, die für ihre Freiheit kämpfen?«
    »Nein«, antwortete Abu Dun kauend. Er deutete auf eine mit gut fünfzehn Mann besetzte Dau, die keine hundert Fuß mehr entfernt und damit schon längst in Schussweite war.
    »Dass sie gar nicht auf uns schießen.«
    Sharif legte die Stirn in Falten und sah das Schiff an, als erblickte er ein solches Gebilde zum allerersten Mal. Dann drehte ersieh langsam herum und spähte flussabwärts.
    Sein Gesicht blieb ausdruckslos, doch Andrej sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, seinen Schrecken zu verbergen.
    Allerdings entdeckte er nicht einmal die mindeste Spur von Überraschung in seinem Blick.
    Aus der anderen Richtung näherte sich ihnen ein zweites Boot, mit deutlich mehr Männern besetzt, dafür aber langsamer, was jedoch keinen Grund zur Erleichterung gab. Rasch überschlug Andrej in Gedanken Kurs und Geschwindigkeit der drei Schiffe und kam genau zu dem von ihm gefürchteten Ergebnis: Die drei Boote würden irgendwo in der Flussmitte zusammentreffen, und das in wenigen Minuten.
    »Sie wollen uns lebend«, sagte Sharif.
    »Oder es ist jemand an Bord, den sie auf keinen Fall in Gefahr bringen wollen«, sagte Abu Dun schmatzend.
    »Ist das so?«, wandte sich Sharif an das Mädchen.
    »Warum gibst du nicht endlich auf?«, fragte Murida, ohne auf die Worte des Nubiers einzugehen. »Ihr könnt nicht gewinnen. Müssen denn noch mehr Männer sinnlos sterben?«
    »Würden deine Freunde sie denn am Leben lassen?«, fragte Abu Dun, bevor Sharif antworten konnte. »Wenn sie sich für die richtige Seite entscheiden.« »Also nein«, seufzte Abu Dun und griff in den Beutel, den er sich in die Armbeuge geklemmt hatte. Andrej registrierte beiläufig, dass er wieder prall gefüllt war. Abu Duns abschließender kleiner Raubzug schien erfolgreich gewesen zu sein. »Dann wollen wir hoffen, dass deine Soldaten wirklich so gute Schützen sind, wie du behauptest, Hauptmann … und euch die Kugeln nicht ausgehen.«
    Andrej sah wieder zu dem näheren der beiden Schiffe hin. Die Entfernung war weiter zusammengeschmolzen und schrumpfte immer noch. Auch die Männer dort drüben waren mit Musketen bewaffnet, doch trotz der mittlerweile sicheren Schussdistanz hatte noch niemand gefeuert. Sharif hatte recht, dachte er. Siewollen uns lebend. Nicht, dass ihn diese Vorstellung beruhigte. Der flackernde Blitz und das Grollen einer weiteren Explosion zerrissen diesen Moment der Ruhe, und Andrej musste nicht hinsehen, um zu wissen, dass sich ein weiterer Machdiji geopfert hatte – vielleicht zusammen mit seinem Schiff-,

Weitere Kostenlose Bücher