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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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konnten, oder versuchten schwimmend eines der anderen Schiffe oder das Ufer zu erreichen. Kaum einem würde es gelingen, begriff Andrej entsetzt. Als wäre das, was sich die Menschen gegenseitig antaten, nicht schlimm genug, waren auch die eigentlichen Herren dieses Flusses wieder aufgetaucht. Hilflos musste Andrej mit ansehen, wie ein Mann in einem schwarzen Mantel (er wusste nicht einmal, zu welcher Seite er gehörte, und es spielte auch nicht die geringste Rolle), der sich gerade noch an eine schwelende Planke geklammert hatte, in einem gewaltigen Geysir aus sprudelndem Schaum und nass glänzenden graugrünen Schuppen und gelben Zähnen unter Wasser gezogen wurde. Nicht einmal eine Sekunde später schlössen sich die Kiefer eines zweiten Krokodils um Kopf und Schultereines anderen Mannes, um ihn ebenfalls in die Tiefe zu zerren.
    Die beiden Krokodile waren nicht die einzigen, sondern allenfalls die Vorhut. Wohin er auch sah, gewahrte Andrej plötzlich gezackte knöcherne Rückenplatten und verräterische Wellenlinien, unter denen gewaltige Schemen dahin schossen. Auf einmal war er sich nicht einmal mehr sicher, von wem die größere Gefahr ausging: den Machdiji, die sie unerbittlich einkreisten, oder den Krokodilen, deren Zahl immer noch weiter anwuchs.
    »Das ist doch nicht normal …«, murmelte Abu Dun, drehte sich zu Murida und ihm herum und fügte noch ein ziemlich hilflos klingendes »Oder?« hinzu.
    »Es sind kluge Tiere«, erwiderte Murida. »Sie wittern verdorbenes Fleisch übergroße Entfernung. Du solltest besser nicht baden gehen.«
    »Aber es ist ungewöhnlich?«, setzte Andrej nach.
    »Soviel ich weiß, ja.« Es war Sharif, der antwortete, nicht Murida. »Aber ich kenne mich auch nicht besonders gut aus. Jedenfalls sagt man, dass es gelehrige Tiere sein sollen.«
    »Wahrscheinlich hat es sich unter ihnen herumgesprochen, dass in der Nähe von Schiffen immer wieder die eine oder andere Leckerei abfällt«, fügte Abu Dun hinzu. Jetzt war es nicht mehr nur Andrej, der ihn ärgerlich ansah. »Wir müssen schneller werden«, bestimmte Sharif. »Wendet das Schiff in die Strömung! Die anderen sollen uns den Weg freischießen, wenn es nötig ist!« Unverzüglich machten seine Männer sich daran, seine Befehle auszuführen, und Abu Dun öffnete den Mund, vermutlich um eine weitere ganz und gar nicht komische Bemerkung zum Besten zu geben, und klappte ihn dann wieder zu, ohne auch nur einen Laut geäußert zu haben. Vielleicht lag es ja an dem drohenden Blick, den Andrej ihm zugeworfen hatte.
    »Haben wir Ruder an Bord?«, blaffte Sharif. »Wenn nicht, rudert mit irgendetwas, meinetwegen mit den Händen! Wir brauchen Geschwindigkeit!«
    »Das ist keine gute Idee«, sagte Abu Dun. Andrej kam es vor, als würde er flüstern. Nach dem ohrenbetäubenden Krachen der Musketensalven und den Schreien der Sterbenden erschienen ihm alle Geräusche sonderbar gedämpft und fast unnatürlich leise, selbst der einzelne Schuss, der in diesem Moment fiel, wie um die Worte des Nubiers noch zu unterstreichen.
    »Und wieso nicht?«, wollte Sharif wissen. »Habt Ihr Angst, wir könnten zu schnell werden?«
    Abu Dun wollte antworten, doch in diesem Moment erscholl ein erschrockener Ausruf, und einer der Männer zog so hastig den Arm aus dem Wasser, dass er das Gleichgewicht verlor und nach hinten gefallen wäre, hätten ihn seine Kameraden nicht aufgefangen. Ein gewaltiges Kiefernpaar mit Hunderten fingerlanger gelber Zähne schlug mit einem krachenden Laut genau dort zusammen, wo sich nur einen Sekundenbruchteil zuvor noch sein Arm befunden hatte, und das Krokodil fiel in einer Schaumexplosion ins Wasser zurück, die nicht nur die Männer an Deck durchnässte, sondern auch die gesamte Dauerzittern ließ.
    »Deshalb«, sagte Abu Dun trocken. Sharif presste die Kiefer so fest aufeinander, dass seine Zähne knirschten, enthielt sich aber jeden Kommentars und fuhr auf dem Absatz herum, um seinen Zorn an einem anderen unglückseligen Opfer auszulassen. Andrej lachte schadenfroh in sich hinein, dachte aber dasselbe wie Abu Dun: Die Tiere verhielten sich nicht normal. Die geschuppten Bewohner dieses Flusses waren zu Recht gefürchtet, aber es waren zu viele, und er hatte auch noch nie davon gehört, dass Krokodile ein Boot angegriffen hätten oder ihm auch nur nahe gekommen wären. Vielleicht war es das viele Blut im Wasser, das die Tiere wahnsinnig machte, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Auch wenn er im Grunde wusste, dass die

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