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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Vorzugsweise einen Arm, ein Bein oder auch eine Hand und nicht unbedingt den Kopf. Erinnerst du dich, wie viele Fässer Wein wir geleert haben, während wir uns darüber den Kopf zerbrachen? Ob es wohl nachwächst, und wenn ja, wie lange es dauert, wie, und ob es wehtut?« Es war bizarr – doch plötzlich wurden seine Augen heiß, und es brauchte seine ganze Willenskraft, um die Tränen zurückzuhalten. So ruhig, wie er nur konnte, sagte er: »Nun ja, bald wissen wir es. Ich an deiner Stelle hätte es allerdings nur bei einem Finger oder einem Ohr bewenden lassen und nicht gleich eine Hand riskiert. Das war schon immer dein größter Fehler, Pirat. Du handelst erst und denkst dann.« Er musste einen Moment innehalten, um die Gewalt über seine Stimme zurückzuerlangen. »Wenn es schiefgeht, dann verspreche ich, dir einen wunderschönen Haken zu besorgen. Dann bleiben mir wenigstens die ständigen Erklärungen erspart, wenn man mich fragt, warum ich dich Pirat nenne.«
    Abu Dun ließ seinen verstümmelten Arm in den Schoß sinken und sah ihn ernst an. Es war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen er zu Andrej aufblicken musste.
    »Vielleicht muss ich dich enttäuschen.«
    »Du willst keinen Haken?«
    Abu Dun lächelte zwar flüchtig, doch statt zu antworten, streckte erfordernd die unversehrte Hand aus. Andrej reichte ihm den Beutel mit Kat, und Abu Dun zog den Lederriemen mit der linken Hand und den Zähnen zu und warf ihn ihm zurück. Andrej war so überrascht, dass er um ein Haar danebengegriffen hätte.
    »Was soll das?«, fragte er.
    »Ich brauche es nicht mehr«, antwortete Abu Dun. »Was soll das heißen, du brauchst es nicht mehr? Du willst –«
    »Es ist ein weiter Weg bis Karthoum«, unterbrach ihn Abu Dun. »Das Mädchen wird mehr als den einen Beutel brauchen, den Sharif dir gegeben hat. Gib acht, dass sie nicht zu viel davon nimmt. Man gewöhnt sich rasch daran, und je mehr man nimmt, desto mehr braucht man.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte Andrej, was eine Lüge war.
    »Ich bleibe hier«, sagte Abu Dun.
    Andrej war nicht überrascht. Tief in sich hatte er es gewusst, schon, als der Nubier vorhin aufgetaucht war.
    Vielleicht schon eher. Doch es gab Dinge, die wollte man nicht wissen. Und obwohl er auch die Antwort auf diese Frage nur zu genau kannte, fragte er: »Warum?« »Ich würde euch nur aufhalten«, antwortete Abu Dun, »und hier bin ich von größerem Nutzen. Mit jeder Minute, die ich Muridas Freunde aufhalte, steigen eure Chancen zu entkommen. Und ich kann noch ein paar Schädel einschlagen. So kann ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.«
    »Das ist Unsinn!« Andrej kam sich vor wie ein Kind, das angesichts eines schrecklichen Unglücks die Augen schließt und hofft, dass nichts geschieht, solange es nur nicht hinsieht. »Wir werden diesen Machdi finden, das verspreche ich dir. Ich verspreche dir sogar, dass ich dir das Vergnügen überlasse, alle Antworten aus ihm herauszuprügeln, die du hören willst.« Abu Duns Magen grollte. Es hörte sich an, als wäre etwas darin, etwas Bösartiges und Lebendiges, das ihn von innen zerriss und hinauswollte. »Es ist nicht nur das Kat«, sagte Abu Dun, mit einem Male sehr ernst und so leise, dass Andrej sich anstrengen musste, um die Worte zu verstehen. »Vielleicht stimmt es ja sogar, und es verleiht denen Unsterblichkeit, die es überleben. Aber solche wie uns tötet es.« Er wedelte demonstrativ mit seinem Armstumpf, und ein intensiver Schwall von Fäulnisgeruch schlug Andrej ins Gesicht. Er beherrschte sich und zuckte weder zurück, noch zog er eine Grimasse, doch er sah Abu Dun an, dass er seinen Ekel spürte. Scham überkam ihn. »Ich bleibe hier und kämpfe meinen letzten Kampf«, sagte Abu Dun. »Wir werden sehen, ob ich wieder aufwache und als was.«
    »Unsinn!«, antwortete Andrej heftig. »Das lasse ich nicht zu! Du willst –«
    Abu Dun war mit einer so blitzartigen Bewegung auf den Beinen und bei ihm, dass er sie erst registrierte, als der nubische Hüne ihn mit der unversehrten Hand an der Kehle packte und so mühelos hochhob wie ein Erwachsener ein neugeborenes Kind. »Da gibt es nicht viel, was du dagegen unternehmen könntest, Hexenmeister!«, sagte er scharf. »Du kannst gehen und das Mädchen retten, oder du bestehst darauf, den Helden zu spielen, und ich breche dir das Kreuz und werfe dich ins Wasser. Die Strömung ist stark genug. Bis du wieder zu dir kommst und zurück bist, ist so oder so alles vorbei.

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