Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
komme in Kürze zurück und bringe euch wieder in euer Gasthaus.«
»Warum nicht sofort?«, wollte Abu Dun wissen.
»Es sind noch gewisse Vorbereitungen zu treffen«, antwortete Sharif ausweichend. »Es wird nicht lange dauern. Vielleicht eine Stunde oder zwei. Und damit euch die Zeit nicht zu lang wird …«
Er machte einen Schritt zur Seite und klatschte in die Hände, woraufhin zwei junge Frauen eintraten. Sie waren noch offenherziger gekleidet als die zwei, die sie gerade bei Süleyman gesehen hatten, und beide ausgesprochene Schönheiten. Abu Dun hörte auf zu kauen.
»Das ist … sehr zuvorkommend von Eurem Herrn«, sagte Andrej überrascht. »Aber danke, nein.«
»Sicher nicht?«, vergewisserte sich Sharif überrascht.
»Nein?«, fragte Abu Dun.
»Sicher nicht«, bestätigte Andrej.
Sharif machte eine kaum sichtbare Handbewegung, und die beiden Frauen zogen sich so rasch zurück, wie sie gekommen waren. Wenigstens eine von ihnen wirkte ein bisschen enttäuscht, fand Andrej. Sharif zuckte nur noch einmal die Achseln und ging dann ebenfalls.
»Seit wann entscheidest eigentlich du allein, was für uns beide gut ist?«, beschwerte sich Abu Dun.
»Ich habe nur an das arme Mädchen gedacht«, antwortete Andrej.
»Ach ja?« Abu Duns Augen wurden schmal. »Wieso?«
»Wie sollte sie jemals wieder mit einem Mann glücklich werden, nachdem sie dich … äh … kennengelernt hat?«, fragte Andrej. »Du willst doch nicht, dass sie für den Rest ihres ganzen Lebens nur noch Enttäuschungen erlebt, oder?«
Abu Dun machte ein angestrengt nachdenkliches Gesicht, aber schließlich nickte er und beließ es bei einem bedauernden Blick in die Richtung, in der die beiden Schönheiten verschwunden waren. Doch im Stillen fragte sich auch Andrej, ob er eigentlich den Verstand verloren hatte, ein so großzügiges Angebot auszuschlagen. Weder Abu Dun noch er hatten irgendein obskures Gelübde abgelegt oder dem anderen Geschlecht aus einem anderen Grund entsagt, und es war schon sehr lange her, dass er das letzte Mal in den Armen einer Frau gelegen hatte, die er nicht dafür bezahlt oder die andere, womöglich eigennützige Gründe dafür gehabt hätte.
Doch ihm war nicht danach.
Andrej hatte schon früh gelernt, dass es meist besser war, ein gewisses Misstrauen walten zu lassen, wenn ihm jemand ein scheinbar selbstloses Geschenk machte, vor allem jemand wie Sultan Süleyman der Zweite, der vermutlich nicht einmal wusste, was Selbstlosigkeit war. Der Nubier sah ihn noch einige Augenblicke lang fast erwartungsvoll an, zuckte dann mit den Achseln und wappnete sich für die vor ihm liegende Herausforderung, nämlich den großen Tisch aus der Belagerung feindlicher Lebensmittel zu befreien. Andrej zweifelte keine Sekunde daran, dass es ihm gelingen würde. Statt ihm dabei zuzusehen, trat Andrej wieder an eines der großen, vergitterten Fenster heran und sah in den Palastgarten hinab. Der Anblick hatte sich nicht geändert, aber auch nichts von seiner Faszination verloren, auch wenn er nun, wo er den Herren dieses vermeintlichen Paradieses kennengelernt hatte, einen sonderbar bitteren Beigeschmack hinterließ.
Andrej versuchte den Gedanken abzuschütteln, und es gelang ihm auch, doch nun musste er wieder an die hässliche Szene auf dem Basar zurückdenken. Und an das Mädchen.
Er war selbst über sich erstaunt. Murida entsprach nicht im Mindesten dem Frauentyp, den er bevorzugte. Eigentlich weckte so eine kleine, zarte Gestalt seine Beschützerinstinkte … doch die bekamen im Allgemeinen doch einen argen Dämpfer, wenn der, den man beschützen wollte, nur hartnäckig genug mit einem Messer oder anderen Mordinstrumenten auf einen losging. Die junge Frau ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Das Geräusch der sich öffnenden Tür riss ihn aus seinen Gedanken. In der Erwartung, Sharif zurückkommen zu sehen, drehte er sich vom Fenster weg, doch statt des Hauptmanns betrat einer der Janitscharen den Raum, der sie bereits hierher begleitet hatte. Mit der Hand auf der Türklinke blieb erstehen. Obwohl ersieh nahezu perfekt unter Kontrolle hatte, gewann Andrej den Eindruck, dass ihn der Anblick, der sich ihm bot, überraschte. »Kommst du, um uns nach draußen zu eskortieren?«, fragte er.
Hätte er überhaupt noch Zweifel daran gehabt, dass Sharif nicht mit offenen Karten spielte, so hätte ihn die Reaktion des Janitscharen eines Besseren belehrt. Der sagte nämlich eine ganze Weile gar nichts und starrte nur ihn -und vor allem
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