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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fast unheimlichen Zielsicherheit nach seinen Fingern, um sie an ihre faltigen Lippen zu führen und zu küssen. »Ich werde ein Feuer anmachen, um –«
    »Das kann Hadschi tun«, unterbrach sie der Machdi erneut.
    »Für dich habe ich eine andere Aufgabe, meine Tochter.
    Ich möchte, dass du zu Scheich Omar gehst und ihn um ein Treffen bittest. Ich will ihm unsere neuen Freunde vorstellen.«
    Nadil wagte es nicht, ihm zu widersprechen, aber es war ihr anzusehen, wie wenig ihr dieser Auftrag gefiel.
    »Geh und bitte ihn, sich um Mitternacht mit uns zu treffen«, fuhr der Machdi fort. »Wir warten hier, bis du zurück bist.
    Und keine Sorge. Niemand weiß, dass wir hier sind oder wird es je erfahren.«
    Nadil widersprach auch jetzt nicht, sondern presste nur die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. »Ganz wie Ihr es wünscht, Machdi.«
    Rückwärtsgehend und mit gesenktem Blick entfernte sie sich nicht nur von ihm, sondern ging bis zur Tür, öffnete sie mit den unglaublich zielsicheren Bewegungen eines Blinden in vertrauter Umgebung und verschwand dann nach draußen. Der bullige Leibwächter des Machdi folgte ihr, während Hadschi sich zu Andrejs Verdruss weiter neben der Tür an die Wand lümmelte und offenbar auch auf einen langen Aufenthalt vorbereitete.
    »Und du schickst wirklich eine blinde Frau, um den Weg für uns auszukundschaften?«, fragte Abu Dun.
    »Den Weg kennen wir«, antwortete der Machdi. Erging zum Tisch und setzte sich, stand dann aber fast erschrocken wieder auf und bedeutete Murida, Platz zu nehmen. Sie gehorchte auch, aber Andrej schien es, als täte sie es nur, weil er es ihr befohlen hatte. Danach machte er eine einladende Geste auf den einzigen noch freien Stuhl, auf die natürlich niemand reagierte. Erst dann fuhr er fort, als hätte es die kleine Unterbrechung gar nicht gegeben. »Es gibt niemand Besseren, um Nachrichten von einem Ort zum anderen zu bringen. Wer fragt schon eine blinde alte Frau, wohin sie will?« Niemand antwortete, aber Andrej nahm ihm die Bemerkung übel, auch wenn er nicht einmal genau sagen konnte, warum. Vielleicht war das auch der Grund, aus dem er aussprach, was er eigentlich für sich hatte behalten wollen. »Du hast gesagt, Nadils Sohn wäre einer deiner treuesten Anhänger gewesen, und deshalb hätten sie ihn getötet.«
    »Und sie sagte, man habe ihn erschlagen, weil er sich den Steuereintreibern des Sultans widersetzt hat«, fügte der Machdi hinzu. »Und nun willst du wissen, was davon denn nun die Wahrheit ist.« Er schien auf eine Erwiderung zu warten, bekam sie nicht und setzte sich, bevor er weitersprach. »Ich kannte ihren Sohn nicht.« »So wenig wie ihren Mann«, vermutete Andrej. »Manchmal ist die Wirklichkeit ernüchternd, Andrej. Soll ich der armen Frau sagen, dass ihr Sohn gestorben ist und sie und ihr Mann und ihre Tochter geblendet wurden, weil sie keine Steuern bezahlen wollten? Willst Du ihr das sagen?«
    Andrej schwieg. Nein, ganz gewiss nicht.
    »Ihr Sohn hatte einfach Pech, so grausam sich das auch anhören mag«, fuhr der Machdi fort. »Süleyman war wohl zu dem Schluss gekommen, es sei an der Zeit, seinen Untertanen zu zeigen, was denen widerfährt, die sich auf die Seite eines Aufrührers wie mir stellen. Es hätte ebenso gut ein anderer sein können. Der arme Junge war einfach der Erste, der ihnen in die Hände gefallen ist.«
    »Er hat nicht zu deinen Anhängern gehört?«, vergewisserte sich Abu Dun. Plötzlich lag etwas Lauerndes in seiner Stimme, fast schon so etwas wie eine Drohung.
    »Wie gesagt: Ich kannte ihn nicht.«
    »Was dich aber nicht daran gehindert hat, den Märtyrer für deine Zwecke zu benutzen, den Süleyman dir freundlicherweise geliefert hat«, sagte Andrej.
    »Wäre der arme Junge jetzt nicht tot, wenn ich es nicht getan hätte?«, fragte der Machdi. »Oder seine Mutter nicht blind?« Er schüttelte heftig den Kopf. »Süleyman wollte die Herzen seiner Untertanen mit Furcht erfüllen, indem er ihnen gezeigt hat, was denen passiert, die sich ihm widersetzen, aber er hat das genaue Gegenteil erreicht.
    Das Volk hasst ihn mehr denn je.«
    »Du meinst, noch ein paar Unschuldige mehr, die er hinrichten lässt, oder noch ein paar alte Frauen, denen er die Augen ausbrennen lässt, und du bekommst genug neue Anhänger, um ihn zu stürzen?«
    Der Machdi nahm ihm die Worte nicht übel. Eher sah er aus, als wäre er von Andrej enttäuscht. »Ich habe all diese schrecklichen Dinge nicht getan, mein Freund«, sagte

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