Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
schon?«, fragte Abu Dun. »Nicht so.« Eine ganz sachte Spur von Spott mischte sich in das Lächeln des Machdi. »Ich möchte euch mit jemandem zusammenbringen, der euch vielleicht überzeugt, wie ernst es uns ist. Die Menschen in dieser Hälfte der Welt sind des endlosen Krieges müde, Andrej. Und ich glaube, die in eurer Hälfte ebenso.« »Und du glaubst, wir bringen der Welt den Frieden, wenn wir dir helfen, Sultan Süleyman umzubringen?«, schnaubte Abu Dun.
»Wenn er an der Macht bleibt, sicher nicht«, erwiderte der Machdi und schüttelte den Kopf, als Abu Dun zu einer vermutlich abfälligen – Antwort ansetzte. »Aber wartet doch ab, bis Nadil zurück ist und ihr mit Omar gesprochen habt, und entscheidet dann.«
»Da gibt es nichts zu entscheiden«, sagte Andrej. »Wir mischen uns nicht ein.«
»Wir sind Söldner«, fügte Abu Dun hinzu, »keine Freiheitskämpfer.«
»Dann bezahlen wir euch. Nennt mir euren Preis!« »Und was würde dein Gott dazu sagen, dass du unsere Loyalität mit Geld erkaufst?«, fragte Abu Dun. »Vielleicht hat er in seiner unergründlichen Weisheit ja entschieden, uns zwei Schwerter zu schicken, die wir mieten können.« Der Machdi versuchte gar nicht, anders als spöttisch zu klingen.
Aber Andrej war nicht zum Lachen zumute. Ganz und gar nicht.
Kapitel 8
S ogar bei Nacht bot das Gebäude einen atemberaubenden Anblick. Schwarz und so wuchtig wie die Faust Gottes selbst erhob sich der gewaltige Kuppelbau gegen den Himmel, die Sterne und die funkelnden Lichter der Stadt auslöschend. Dennoch hatte er zugleich etwas Erhabenes, fast schon Schwereloses, sodass man es beinahe nicht wagte, den Blick abzuwenden, aus Angst, er könnte verschwunden sein, wenn man das nächste Mal hinsah.
Vielleicht waren es die vier schlanken Säulen, die den monströsen Kuppelbau flankierten und ihn nicht nur um ein gutes Stück überragten, sondern seine brutale Präsenz auch brachen, die dieses Ungetüm wieder mit der Welt vereinten, die es hervorgebracht hatte, sich aber dennoch vom Tag seiner Fertigstellung an unter seiner bloßen Anwesenheit duckte. In einer halb bedeckten Nacht wie dieser, wenn man nicht zu genau hinsah, schienen ihre nadelscharfen Spitzen mit dem Himmel zu verschmelzen, sodass man kaum noch erkennen konnte, wo das eine begann und das andere aufhörte. Von seinen ursprünglichen Erbauern vergessen oder auch ganz bewusst weggelassen, waren sie in Andrejs Augen nicht nur in architektonischer Hinsicht die finale Ergänzung dieses riesigen Bauwerkes.
Nicht alle teilten diese Meinung. Gerade in Rom gab es viele, für die die Tatsache, dass die nach dem Petersdom zweitgrößte Kirche der Welt nun von vier schlanken Minaretten eingerahmt wurde, die ultimative Ketzerei darstellte, den Beweis, dass der Islam nicht weniger als die vollständige Vernichtung des Christentums plante und dies auf diese Weise auch so laut in die Welt hinausschrie, dass es auch wirklich jedermann hörte und sah.
Andrej hatte es immer genau anders herum empfunden. Für ihn war die zur Moschee gewordene Hagia Sophia mit ihren fast schwerelos wirkenden Minaretten der Stein gewordene Beweis, dass die beiden großen Religionen sehr wohl friedlich miteinander leben konnten und vielleicht gar nicht so unterschiedlich waren, wie viele glaubten. Oder es auch gern hätten.
»Was ist so komisch, Hexenmeister?«, drang Abu Duns Stimme in seine Gedanken.
Andrej sah ihn einen Moment lang verständnislos an, ehe ihm klarwurde, dass sich seine Gedanken wohl in einem angedeuteten Lächeln auf seinen Lippen widergespiegelt haben mussten.
»Nichts«, sagte er. »Ich habe nur ein wenig philosophiert.«
»Philosophiert.« Abu Dun wiederholte das Wort, als wüsste er nicht wirklich etwas damit anzufangen. Dann nickte er.
»Weil das ja genau der richtige Moment dafür ist, nicht wahr?« Ein säuerlicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Aber ich muss gestehen, dass ich auch seit einer ganzen Weile philosophiere. Nämlich über die Frage, was wir hier eigentlich tun. Bist du nicht auch der Meinung, dass es nur eine ziemlich komplizierte Art ist, Selbstmord zu begehen?«
Andrej sagte sich, dass es sicherlich das Klügste wäre, nichts darauf zu erwidern. Sie waren nicht allein, auch wenn Abu Dun Deutsch gesprochen hatte, das, wie er vermutete, weder der Machdi noch seine Begleiter sprachen. Doch der Nubier hatte recht. Die Hagia Sophia war nicht nur ein ewiger Stachel im Fleisch der Christenheit, sondern auch der
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