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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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öffnete der Machdi die Tür endgültig und trat hindurch. Der Raum dahinter war so gewaltig, dass Andrej seine Weite spüren konnte, noch bevor er dem Machdi hinein folgte. Sie befanden sich im großen Hauptschiff der Kirche, einem Saal von so gewaltigen Ausmaßen, dass die meisten Kirchen, in denen er je gewesen war, darin Platz gefunden hätten. Von einem Ende zum anderen maß er sicherlich zweihundert Schritte, und die gigantische Kuppel, die von außen betrachtet schon riesig wirkte, erhob sich nun wie ein von Menschen geschaffener Himmel auf gut die Hälfte dieser Distanz über ihren Köpfen. Andrej verstand mit einem Male sehr viel besser, warum so viele behaupteten, die Hand Gottes selbst (oder die des Propheten, immer abhängig davon, wen man fragte) hätte dieses künstliche Firmament erschaffen.
    Er hatte erwartet, sie leer vorzufinden, doch das war nicht der Fall. Das Abendgebet war schon vor Stunden zu Ende gegangen, und die letzten Gläubigen hätten die Moschee schon längst verlassen sollen. Dennoch sah er mindestens ein Dutzend Männer, von denen etliche auf den Knien lagen und mit gebeugten Rücken gen Mekka beteten, andere beisammenstanden und sich im Flüsterton unterhielten oder auch mit so profanen Dingen beschäftigt waren, wie den Boden zu reinigen oder die prachtvollen Marmorsäulen zu polieren, die die gewaltigen Emporen trugen. Auch dort oben, auf den besonderen Würdenträgern und Frauen vorbehaltenen Säulengängen bewegten sich Schatten. Im allerersten Moment war Andrej irritiert, dann erinnerte er sich wieder, dass es noch einen Unterschied zwischen der Hagia Sophia und den meisten ihm bekannten Kirchen gab: Die Hagia Sophia stand den Gläubigen zu jeder Stunde des Tags und der Nacht offen – für die, denen die vorgeschriebenen acht Gebete pro Tag nicht ausreichten, die nur meditierten oder die eine Entschuldigung brauchten, um eine Stunde später zu einer zänkischen Frau zurückzukehren –, und offenbar machten sie auch dankbar von diesem Angebot Gebrauch. Er holte mit schnellen Schritten zum Machdi auf und versuchte seinen Blick einzufangen, doch der bärtige Riese blickte mit ausdruckslosem Gesicht zu Boden. Schnell, aber ohne Hast durchquerte er den gewaltigen Raum und hielt auf eine Gruppe von drei alten Männern zu, die unter dem riesigen Buntglasfenster an der Stirnwand standen und leise miteinander redeten. Andrej schätzte den Jüngsten von ihnen auf siebzig, und alle drei umgab etwas, das Andrej sofort erkennen ließ, dass es sich nicht um normale Gläubige handelte.
    »Warte hier einen Moment«, sagte der Machdi. Erhielt zwar nicht einmal im Schritt inne, überzeugte sich aber mit einem raschen Blick über die Schulter davon, dass sein Befehl befolgt wurde, und ging dann schneller, während Andrej und die anderen stehen blieben. Als hier und da einer der Betenden den Kopf hob, um in ihre Richtung zu sehen, oder für einen halben Atemzug seine Arbeit einstellte, wurde Andrej sich schmerzlich des Umstandes bewusst, wie wenig sie in das allgemeine Bild passten. Die drei Männer unterbrachen ihr Gespräch, als sich der Machdi der kleinen Gruppe näherte. Zweien sah man deutlich ihre Überraschung an. Einer machte sogar Anstalten, vor ihm auf die Knie zufallen, wurde aber vom dritten Mitglied des geriatrischen Trios fast schon rüde davon abgehalten. Andrej fand diese Reaktion -zusammen mit dem eigentlich recht wenig respektvollen Blick, dem er dem Machdi dabei zuwarf recht aufschlussreich, war aber zugleich auch ein wenig verwirrt. Hatte Nadil ihr Kommen denn nicht angekündigt? »Das ist schon komisch«, sagte Abu Dun. »So?« Andrej sah beinahe schon widerwillig zu ihm hin. »Und was jetzt schon wieder?« Abu Dun deutete auf den Machdi und seine Gesprächspartner-oder besser: auf den Boden, auf dem sie standen. So wie vieles andere auch hatten die neuen Besitzer ihn unverändert gelassen, nachdem sie das Gebäude von seinen christlichen Baumeistern übernommen und kurzerhand zur Moschee deklariert hatten, und so standen der Machdi und die drei anderen auf einem kostbaren Mosaik, das einen christlichen Heiligen zeigte (Andrej hatte keine Ahnung, welchen), komplett mit Bart und Heiligenschein und einem kleinen Kruzifix in der Linken. Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand hatte er in einer segnenden Geste erhoben, aber mit ein wenig Fantasie hätte man sie auch als anklagend verstehen können, denn die Fingerwiesen genau auf den Machdi und seinen greisen Gesprächspartner.

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