Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
ist«, bestätigte Sharif. »Aber er atmet, und sein Herz schlägt, wenn auch schwach. Und ich weiß nicht, wie lange noch.«
»Wahrscheinlich länger, als Euch lieb sein dürfte«, sagte Andrej. »Es ist so, wie Ihr gesagt habt: Abu Dun ist zäh. Und viel zu stur, um einfach so zu sterben.« Er hob fordernd die gefesselten Hände. »Macht mich los, dann kümmere ich mich um ihn.«
Sharif warf dem Sultan einen fragenden Blick zu. Erst nachdem dieser ihm mit einem unwilligen Nicken geantwortet hatte, zog er einen klobigen Schlüssel aus seinem Mantel und nahm Andrej die Handfesseln ab. »Ich lasse den Arzt holen, damit er sich um Euren Freund kümmert«, sagte Sharif, aber Andrej schüttelte nur rasch den Kopf und wandte sich auch schon um. »Gebt mir Verbandszeug«, sagte er. »Ich kümmere mich um ihn. Oder möchtet Ihr, dass Eivert3esicht das Erste ist, was er sieht, wenn er wieder zu sich kommt?« Sharifs Gesichtsausdruck nach zu schließen, fand er diese Vorstellung ganz und gar nicht erquicklich. Aber er tauschte auch diesmal erst einen raschen Blick mit dem Sultan, ehe er wortlos den Weg freigab und eine auffordernde Geste machte. Rasch ging Andrej zu Abu Dun zurück, kniete neben ihm nieder und streckte fordernd die Hand aus. Einer der Kriegerreichte ihm einen Lappen, der sich bei genauerem Hinsehen als ein Fetzen erwies, der grob aus einem Gewand herausgerissen worden und an einer Stelle ein wenig blutig war. Andrej ballte ihn in der Faust zu einem Ball zusammen und wartete, bis der Soldat wieder einen Schritt zurückgewichen war, bevor er den Fetzen dann unter Abu Duns Gewand stopfte, um ihn auf die Wunde zu pressen – die tatsächlich immer noch blutete, wenn auch nicht mehr annähernd so heftig wie noch vor einem Augenblick.
Abu Dun gab einen Laut von sich, der wie eine Mischung aus einem Zähneknirschen und einem Stöhnen klang. Andrej presste die Hand noch etwas fester auf den improvisierten Druckverband, um wenigstens durch den Schmerz Abu Duns Aufmerksamkeit zu erregen. »Spiel mit!«, flüsterte er auf Englisch. »Du bist verletzt, aber ich kümmere mich um dich, keine Angst.« »Vielleicht ist es ja gerade das, was mir Sorgen bereitet«, antwortete Abu Dun ebenso leise und beinahe ohne die Lippen zu bewegen.
Andrej verlangte mit einem herrischen Winken nach einem weiteren Tuch, bekam es und improvisierte bewusst ungeschickt einen Verband, mit dem er Abu Dun vermutlich endgültig umgebracht hätte, wäre dieser tatsächlich sterblich gewesen.
Hinter ihm erscholl ein halblauter Schrei, der in einem Keuchen endete, und Andrej spürte, wie ein Leben erlosch. Als er erschrocken den Kopf drehte, sah er gerade noch, wie sich einer von Süleymans Kriegern aufrichtete und seinen Dolch einsteckte.
Ohne ein weiteres Wortstand er auf und ging zu Süleyman zurück. »Wollt Ihr sichergehen, dass auch wirklich keine Zeugen zurückbleiben?«, fragte er. »Sosehr ich diesen selbst ernannten Propheten auch verachtet habe, muss ich ihm lassen, dass seine Anhänger wirklich treu waren«, sagte der Sultan. »Sie haben bis zum letzten Atemzug für ihn gekämpft. Ich wollte, alle meine Krieger stünden so loyal hinter mir.« »Und Ihr glaubt tatsächlich, dass niemand an dieser Geschichte zweifelt, Sultan?«, fragte Andrej.
»Warum nicht?«, erwiderte Süleyman leichthin. »Wie gesagt: Ich habe einen Zeugen – oder sogar zwei, wie es den Anschein hat.«
»Und wir haben ein paar von ihnen entkommen lassen, die Zeugnis ablegen werden, wie tapfer sie gekämpft haben«, fügte Sharif hinzu, »und wie sinnlos es am Ende war.«
»Und natürlich, dass der Machdi tatsächlich tot ist«, schloss Süleyman.
»Schade nur, dass er es nicht ist«, sagte Andrej. Sharif reagierte nicht – was an sich schon verräterisch genug war-, während Süleyman sie stumm ansah und dann das Gesicht zu einem abfälligen Lachen verzog.
»Also ich bin der Meinung, dass er ziemlich tot aussieht«, sagte er.
»Dieser Mann vielleicht«, antwortete Andrej, »aber nicht der Machdi.«
Er sah Süleyman an, dass er auffahren wollte, sich aber im letzten Moment beherrschte, wenn auch mühsam.
»Ihr wollt damit sagen, dass dies nicht der Machdi ist?«
»Vermutlich nicht.«
»Weil Ihr den wirklichen Machdi kennt«, sagte Süleyman nachdenklich.
»Ich kenne den Machdi nicht und er mich auch nicht.«
Andrej hoffte, dass seine Stimme nicht zu abfällig klang.
»Noch vor ein paar Tagen wusste ich nicht einmal, dass es ihn und seine Anhänger
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