Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
angesetzt hatte, ihm zu widersprechen. »Die Machdiji behaupten, die Blätter besäßen Zauberkräfte und würden jede Wunde heilen.«
    »Seit wann glaubt Ihr an Zauberei?«, fragte Andrej. »Wer sagt, dass ich das tue?«, erwiderte Sharif. »Aber was schadet es, es zu versuchen?« Nach allem, was er bisher mit diesem Teufelszeug erlebt hatte, fiel es Andrej schwer, sich dieser Meinung anzuschließen, aber irgendetwas brachte ihn dennoch dazu, in Abu Duns Mantel zu graben und den kleinen Beutel mit den Kat-Blättern herauszuziehen. Er versuchte, ihm eines der filigranen Blätter in den Mund zu schieben, doch mit wenig Erfolg. Entweder spielte der Nubier perfekt den Bewusstlosen, oder er war es wirklich. Andrej hätte in diesem Moment nicht sagen können, was ihn mehr beunruhigte.
    Sharif ließ ihn eine Zeit lang gewähren, dann nahm er ihm das Blatt wortlos weg, strich es auf dem Handrücken glatt und legte es behutsam auf die Wunde. Sofort begann es sich mit Abu Duns Blut vollzusaugen und verlor seine hellgrüne Farbe, doch mehr geschah nicht. Natürlich, schalt er sich selbst in Gedanken. Was hatte er denn auch erwartet?
    »Und seid Ihr wirklich sicher, dass ich den Arzt nicht rufen soll?«, fragte Sharif zum wiederholten Mal. »Ja.« »Und gibt es einen Grund dafür?« Doch bevor Andrej antworten konnte, schüttelte Sharif den Kopf und sagte: »Ich glaube, selbst wenn es ihn gibt, dann will ich ihn gar nicht wissen … wenigstens jetzt nicht.« Er streckte fordernd die Hand aus, und Andrej reichte ihm wortlos den Beutel. Mit einem Geschick, das deutlich größer war als das Andrejs gerade, verteilte er fast die Hälfte der Blätter auf der Wunde und ließ sich von einem seiner Männer einen sauberen Stoffstreifen geben, aus dem er einen Verband improvisierte. Das Ergebnis sah alles andere als professionell aus, aber immer noch ungleich besser als das, was Andrej zuwege gebracht hatte. »Wird er es überleben?«
    Andrej machte sich nicht einmal die Mühe, zu Süleyman hochzusehen, geschweige denn, ihm zu antworten, doch Sharif nickte immerhin, und Süleyman reagierte mit derselben Bewegung und wandte sich dann an die Männer hinter sich.
    »Schafft die Toten hinaus«, sagte er. »Ich will, dass sie öffentlich ausgestellt werden, damit jeder sieht, was denen geschieht, die sich gegen mich stellen. Und dann macht ihre Familien ausfindig. Sie werden hingerichtet.«

Kapitel 10
    Zum dritten Mal waren sie nun Gäste im Kafes ‚und wieder lernten sie einen anderen Teil des Gefängnisses kennen. Zwischen verschwenderischem Luxus und einer von Menschenhand geschaffenen Hölle gab es eine Mitte, in der man meinen konnte, sich in einem ganz normalen Gasthaus zu befinden, hätte es nicht massive Gitterstäbe vor den Fenstern und Riegel an den Türen gegeben, die sich nur von außen öffnen ließen. Jeder andere hätte wohl vermutet, dass diese Räumlichkeiten dazu dienten, Gäste unterzubringen, die beschützt und nicht bewacht werden mussten – nicht ganz so hochrangige Abgesandte ausländischer Herrscher zum Beispiel oder auch den einen oder anderen aufmüpfigen Kalifen oder Emir, der vielleicht eine sachte Erinnerung daran brauchte, wenn dieser Stadt das Sagen hatte – aber Andrej wusste es besser. Es war noch nicht allzu lange her, dass in diesen Räumen Blut vergossen und Gewalt und Terror ausgeübt worden waren – mehr als einmal.
    Abu Dun und er wurden jedoch gut behandelt. Allein in der ersten Nacht, die sie hier verbrachten, kam Süleymans Leibarzt zweimal und beharrte darauf, sich um Abu Duns Wunde zu kümmern, und er hätte es vermutlich auch noch ein drittes und viertes und fünftes Mal getan, hätte Abu Dun ihn nicht schließlich am Schlafittchen gepackt und gedroht, ihm den Schädel einzuschlagen, wenn er ihn nicht wenigstens ein paar Stunden in Ruhe schlafen ließe. Was er anschließend auch ausgiebig und so tief tat, dass es Andrej erneut Anlass zur Sorge gab.
    Eine Stunde nach Sonnenaufgang kamen zwei Diener und trugen ein ebenso einfaches wie reichhaltiges Frühstück auf. Andrej wartete, bis sie wieder gegangen waren, bevor er Abu Dun zu wecken versuchte, gab es aber rasch wieder auf, als dieser sich grunzend auf die Seite wälzte und ihm dabei beinahe mit dem Ellbogen den Schädel eingeschlagen hätte. Er begann sich allmählich wirklich Sorgen zu machen. Die Verletzung war schwer gewesen, selbst für einen Mann wie ihn, aber der nubische Riese hatte schon weit Schlimmeres überlebt und sich in viel

Weitere Kostenlose Bücher