Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)
zuschrieb und dem Klerus großzügige Abgaben machte. Cibráns Vater war der Schmied der Stadt, und er schickte seinen Sohn ein paarmal in der Woche hinaus zu meinem Hof, um frisches Gemüse und Eier zu holen. Er entlohnte mich dafür, indem er Cibrán für mich arbeiten ließ, wodurch wir ausreichend Zeit für seine Ausbildung fanden. Er hatte seine Studien schon fast vollendet, und wir waren kurz davor, in die Wälder zu ziehen, um dort mit seinen Tätowierungen zu beginnen, als Al-Mansurs Truppen aus dem südlichen Kalifat vorstießen, im Jahr 997 die Stadt eroberten und Cibrán und seinen Vater töteten, bevor ich herbeieilen und sie beschützen konnte. Danach hatte ich mich nie wieder als Lehrer versucht. Weder ich noch die Iberische Halbinsel botendie stabilen Voraussetzungen, damit eine solche Arbeit Früchte tragen konnte. Ich packte meine Sachen, machte mich auf in Richtung Asien und kehrte erst viel später mit den Horden des Khan nach Europa zurück.
Seither hatte ich immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, einen kleinen druidischen Zirkel zu gründen, doch die Bedrohung durch AENGHUS ÓG einerseits und die ständige Verfolgung durch die Monotheisten andererseits machten es stets zu einem müßigen Tagtraum. Vielleicht war die Idee nun nicht mehr ganz so abwegig, falls ich die Prophezeiung der MORRIGAN überleben sollte.
Meine Abmachung mit ihr war keineswegs eine universelle Du-kommst-vom-Tod-frei-Karte. Ihre Gültigkeit erstreckte sich lediglich auf die MORRIGAN selbst, die gewissermaßen das erste Recht auf mein Leben hatte, und das war natürlich großartig, ganz ohne Zweifel. Aber Todesgötter gibt es in jedem Pantheon zuhauf, und falls AENGHUS ÓG tatsächlich ein Bündnis mit der Hölle geschlossen hatte, würde mich der Tod auf einem fahlen Pferd holen, so wie es in der Offenbarung 6,8 stand.
Der Teil ihrer Prophezeiung, der mir echtes Kopfzerbrechen bereitete, war der Heidekraut-Stab, der andeutete, dass der todgeweihte Krieger überrascht würde, bevor er starb. Vermutlich konnte AENGHUS zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel tun, um mich noch zu überraschen, doch dieser Hexenzirkel war durchaus dazu imstande. Er hatte mich schließlich schon mehrfach überrascht: Das erste Mal, als die Hexen behaupteten, sie wollten AENGHUS impotent machen; später hatten sie mich dreist über ihre Verbindung zu ihm belogen und mir dann sogar das Blut ihrer Anführerin überlassen, in dem Vertrauen, dass sie es entweder zurückstehlen würden oder ich es nie gegen sie verwenden konnte. Und all das hatten drei Hexen des Zirkels vollbracht. Womit würden sie mich erst überraschen, wenn mich die ganze Gruppe ins Visier nahm?
Und in diesem Moment, im Rúla Búla, in Granuailes Kopf, hatte ich es mit einer weiteren Hexe zu tun, die behauptete, sie könne es allein mit dem ganzen polnischen Hexenzirkel aufnehmen, vorausgesetzt, sie habe eine bestimmte Rubinhalskette – offensichtlich ein äußerst mächtiges magisches Objekt, denn andernfalls würde keine dieser coolen Hexen eine ihresgleichen dafür töten wollen. Wollte ich wirklich jemand so Mächtigen von der Leine lassen?
Bevor ich mir diese Frage beantworten konnte, blieb Granuaile vor mir stehen und lehnte sich zu mir herüber, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
»Also gut, Atticus, ich werde jetzt Laksha herauslassen. Sei nett zu ihr.« Sie grinste schelmisch, und dann kippte ihr Kopf willenlos zur Seite, während sie die Kontrolle abgab. Als er sich wieder aufrichtete, wirkte ihre Miene unergründlich. Nur eine gewisse Spannung um Mund und Augen vermittelte den Eindruck von hohem Alter. Sie hatte einen deutlichen Akzent voller abgehackter Vokale und Konsonanten und dem melodiösen Singsang tamilischer Sprecher. »Ich freue mich schon lange auf unser Gespräch, Druide«, begann sie. »Ich bin Laksha Kulasekaran und grüße Sie in friedlicher Absicht.«
Die Verwandlung von einer jungen, heiteren, irisch-amerikanischen Frau zu einer uralten indischen Hexe hatte etwas absolut Unheimliches, egal wie viele Worte des Friedens auch aus Granuailes Mund kamen. Mich überfiel dabei, wie Samuel Clemens, alias Mark Twain es ausgedrückt hatte, das nackte Grausen.
20
Ich hoffe, es bleibt bei den friedlichen Absichten«, sagte ich zu der Hexe in Granuailes Kopf. »Warum erzählen Sie mir nicht, wie es dazu kam, dass Sie hier mit mir sprechen?«
»Ich wurde 1277 in Mandurai geboren, während der Regentschaft des Pandyan-Königs Maravaramban Kulasekaran,
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