Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
antwortete er.
Arré lachte. »Er ist wirklich ein Zuhälter«, sagte sie. »Aber du bist es, der anrüchige Sachen mit ihm betreibt, nicht ich.«
Er strich sich über den Bart. »Wenn du davon weißt, dann sind es ja keine Geheimnisse, oder?«
»Sag mir«, bat sie, »was hast du gegen Cha Minto in der Hand?«
»Ich kenne ihn gar nicht«, sagte Tarn. »Müßte ich ihn denn kennen?«
Sie wußte nicht, sollte sie ihm glauben, oder nicht. Die Tür zur Terrasse öffnete sich, und das Gesicht einer Frau spähte heraus. Es war Karya Ismenin. »Entschuldigt mich«, sagte sie mit einer ungewöhnlichen Ängstlichkeit für eine Frau in ihrem eigenen Haus, »aber die Tanzdarbietung soll gleich beginnen ...«
»Ich danke dir, wir kommen gleich«, sagte Tarn. Karya verschwand. Er bemerkte, daß Arré ihn forschend ansah, und er lächelte säuerlich. »Du glaubst, ich habe keine Manieren? Hältst mich schon wieder für einen Barbaren? Genau das tun die da drin auch. Ich bemühe mich nur, ihren Erwartungen gerecht zu werden.«
»Aber sie sind deine Gastgeber.«
Er zuckte die Achseln. »Und sie bekommen, was sie haben wollen, das Bündnis mit dem Mann, der den Fluß kontrolliert. Col Ismenin ist ein ungestümer junger Hund, aber er wird es nicht mehr sein, wenn ich mit ihm fertig bin.«
»Wie mag deine Tochter sein?« fragte Arré verwundert.
Sein Gesicht leuchtete auf. »Sie ist zauberhaft. Warte, bis du sie siehst. Wollen wir uns jetzt diesen berühmten tanzenden Bruder von dir anschauen?«
Sie spielte mit den Armreifen an ihrem Handgelenk. »Kennst du Isak?«
»Ich habe ihn gestern nacht kennengelernt. Im Haus der Batto. Er war sehr still.«
Die in den Westen sinkende Sonne warf Schatten auf den Balkon. Arré trat noch einmal an die Balustrade. Sie winkte Tarn mit dem Kopf, und er trat neben sie. Sie deutete auf den Fluß hinab, auf eine Barkasse, die mit Getreidesäcken vollbeladen war. »Gehört das auch dir?« fragte sie.
Er lächelte. »Jaaah. Und die dort. Und die da auch. Und die dort drüben ...« Er zeigte ihr eine nach der anderen.
Sie nickte. »Ich begreife, warum die Ismeninas dich brauchen«, sagte sie. »Aber ich begreife nicht, warum du die Ismeninas nötig haben sollst.«
»Erz«, sagte er. »Ihre Minen liegen ziemlich nahe. Die Erzbergwerke von Tezera sind recht weit entfernt, und die meisten werden schon so lange ausgebeutet, daß sie inzwischen bereits leer sind.«
»Aber die Erzminen der Ismeninas liegen in den Roten Bergen, in der Nähe von Shanan, und das liegt weiter von Nuath weg als Tezera«, wandte sie ein.
Er blinzelte sie an. »Du bist gut informiert.« Er hängte die rechte Hand in seine längste Halskette und ließ sie dort schaukeln. »Hmmm! Also, es gibt noch einen anderen Grund. Das wird dir vielleicht als töricht erscheinen ...« Er schaute sie von der Seite her an.
»Riskier es ruhig!« drängte sie ihn einladend.
»Ich bin in Nuath geboren. Und zum erstenmal kam ich als Kind zu Besuch hierher in die Stadt. Ich fuhr den Fluß hinab ... Zehn Jahre war ich damals, oder so. Jetzt bin ich siebenundvierzig. Das Haus des alten Rath Ismenin war damals gerade fünfzehn Jahre alt und war etwas ganz Wunderbares. Ich habe es vom Fluß aus gesehen, bei Sonnenaufgang, und die Sonne prallte von diesen weißen Mauern zurück – ich war fast geblendet von der Pracht. Damals kam es mir so vor, als müßten die Ismeninas die weiseste, mächtigste, vornehmste Familie in der Stadt sein, daß sie sich ein solches Haus bauen konnten.« Er streichelte die weiße Marmormauer des Hauses. »Als ich mir mein Haus in Nuath gebaut habe, habe ich mir die Baupläne dieses Hauses hier kommen lassen und sie von meinen Architekten und Baumeistern kopieren lassen, so gut sie es konnten. Das ist der Grund, warum ich mich hier so gut auskenne. Und als Ron Ismenin an mich herangetreten ist wegen dieser Vermählung – wie hätte ich da widerstehen können? Meine Tochter Nathis wünschte es so.« Er lächelte. »Und außerdem gab es ja auch zwingende wirtschaftliche Gründe dafür.«
Eine Brise wehte vom Fluß zu ihnen herauf. Weit draußen über der See zog sich heller blauer Dunst zusammen. Wie lange standen sie schon da und redeten – eine Stunde? Länger? Die Ismeninas sind inzwischen dem Wahnsinn nahe, dachte sie.
Sie legte Tarn Ryth die Hand auf den nackten Unterarm.
»Komm!« sagte sie. »Gehen wir hinein!«
16. Kapitel
Isaks Tanz war atemberaubend. Aber Arré sah nicht viel davon. Sie saß in
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