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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Schenkel. »Versuch es jetzt!«
    Seine brüske Art war ihr zuwider, und sie wollte sich sperren wie ein störrisches Maultier. Aber Senta nickte ihr zu, als wolle sie sie ermutigen. »Fang an!« sagte sie laut, und dann sagte ihre Stimme in Sorrens Gehirn: Mißtraust du uns denn noch immer, Sorren? Seele zu Seele kann nicht lügen. Du bist eine von uns; und wir würden dich auf keine Weise in eine Falle locken oder überlisten oder dir wehtun. Die leisen Worte klangen unmißverständlich nach Wahrheit. Sorren legte die Hände auf das Kästchen und dachte an Tornor, an die Burgmauern, die wie eine Rüstung vor dem grauen Nordlandhimmel schimmerten ...
    Der Garten löste sich auf. Sie schwebte über einem Bett. Darin lag eine Frau; ihr Haar war weiß wie Milch, von Strähnen einer dunkleren Färbung durchzogen, aus denen man erkannte, daß es einstmals golden gewesen war. Zu beiden Seiten des Bettes saßen zwei andere Frauen: eine war jung und hatte bernsteinfarbenes Haar; das Gesicht der zweiten Frau war Sorren verborgen, doch auch ihr Haar war weiß, und ihre Hände sahen knotig und alt aus. Die Jüngere Frau weinte, und die Frau im Bett betätschelte ihre Hand. Dann mühte sie sich, einen Ring vom Finger zu ziehen, doch die Gelenke waren so geschwollen, daß der Ring nicht abging. Plötzlich sah Sorren, daß sich noch eine vierte Person im Raum befand. Es war ein Mann. Er hatte lohfarbenes Haar mit Silberstreifen darin, und sein Gesicht war gezeichnet von Linien wie ein Herbstblatt. Sanft griff er zu der Frau im Bett hinüber und half ihr den Ring abstreifen ...
    »Sorren!« Einen Augenblick lang vermochte Sorren nicht zu sagen, ob die Stimme aus ihrem Traum kam oder aus der Wirklichkeit. »Sorren!!!«
    Die Vision verschwamm.
    Sie blinzelte, sah Senta. »Ich war fort«, sagte sie.
    »Was hast du gesehen?« fragte die Hexe.
    »Eine Frau auf einem Bett und noch zwei Frauen und einen Mann ...« Langsam beschrieb sie ihre Vision. Senta blickte zu Rinti, der mit beiden Händen an seiner Perlenkette zerrte.
    »Was ist los?« fragte sie. Er blickte finster und wild drein.
    »Ich weiß es nicht. Ich hab' versucht mich einzukoppeln und ihr zu folgen, aber es war, als würde ich gegen eine Mauer rennen. Die Verbindung ist zerbrochen. Sie war weg – aber ich will verdammt sein, wenn ich weiß, wo sie war!«
    »Ich hab' es dir doch gesagt«, sagte Sorren. »Es ist Tornor Keep.«
    »Versuch es noch einmal«, sagte Senta. »Versuch einen anderen Ort. Gib ihr deine Perlen.«
    »Was?« Rinti bedeckte die Kette schützend mit einer Hand.
    »Rinti, laß sie die Perlen anfassen«, sagte Senta. »Sie kann mit ihrer Hilfe fernreisen.«
    Rinti liebkoste spielerisch jede einzelne der Perlen, fuhr dann zum Schloß der Kette. »Ich werde sie schon nicht zerbrechen«, sagte Sorren. Ziemlich zögernd reichte er ihr die Kette. Sie fragte sich, ob sie sie wirklich irgendwohin führen würde. Das Schwert damals, das hatte es ja getan – warum also nicht auch die kleinen blauen Kügelchen? Sie ließ leicht die Finger über die Perlen gleiten und schloß die Augen.
    ... Sie war auf einem Feld. Überall rings um sie stand Korn, hoch über ihren Kopf aufragend. Sie erhob sich aus dem Feld, Sorren-der-Vogel, und fand sich auf eine gewellte, rollende große Ebene hinabblickend, die mit Gold bedeckt war. Direkt unter ihr lag ein winziges Haus mit einem weißen Dach, und daneben stand eine Windmühle. Die Mühlenflügel drehten sich träge im Wind und der Sonne. In einer Ecke des Himmels trieb ein Hörnermond wie ein bleiches Gespenst dahin. Plötzlich kam ein kleiner Junge aus dem Haus gelaufen und rannte ins Korn, als werde er von einem Dämon verfolgt, nur daß das Kind fröhlich wirkte, nicht furchtsam. Sie glitt tiefer, um zu sehen, worüber er so glücklich war, und das Korn und das Haus und der Junge verschwanden ...
    Sie blinzelte. »Ich bin zurück«, sagte sie.
    Rinti hieb mit den Händen auf das Gras ein. »Verdammt! Es ist wieder passiert!« Er nahm seine Kette an sich. »Wo warst du? Beschreibe es!«
    »Es war ein Bauernhof. Überall war Getreide. Ich habe einen Jungen gesehen ...« Sie beschrieb ihn, seine Kleidung, sein Haar. Mitten in ihrer Beschreibung hob Rinti die Hand.
    »Halt!« befahl er. Seine Stimme klang heiser. »Ich weiß nicht, wie du das gemacht hast – aber was du gesehen hast, das war ich!«
    »Was?« sagte Senta. »Bist du dir ...«
    »Sicher? Ich bin mir ganz sicher! Und ich erinnere mich genau an den Tag. Ich rannte

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