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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Osten, Westen – wer würde dich aufhalten wollen? Geh, wohin es dir beliebt!«
    »Aber – wenn ich eine Hexe bin, muß ich dann nicht hier im Tanjo bleiben?«
    »Hier im Tanjo? In Kendra-im-Delta? Sorren, du wirst mit deiner Gabe tun, was du willst. Ich würde natürlich hoffen, daß du – wenn du sie beherrschen gelernt hast – hierbleibst, oder, da du ja in den Norden ziehen willst, vielleicht dich dem Tanjo in Tezera anschließen wirst. Aber das liegt allein bei dir.«
    Sorren mußte schlucken. »Versprichst du's mir?« sagte sie und wußte, wie kindisch das war, und wollte es dennoch unbedingt hören.
    Sofort sagte Senta: »Ich schwöre es beim Chea, daß du – ob du deine Gabe erlernst oder nicht – immer tun kannst, was du selbst willst und wo du willst.« Sie strich sich lächelnd das Haar aus dem Gesicht. »Bist du zufrieden?«
    Sorren nickte. Sie hatte noch immer Furcht, aber nicht mehr ganz so große.
    Nachdenklich sagte Senta: »Ich war das Kind einer Fischersfrau, als ich anfing, die Gedanken fremder Leute zu hören und mit meinem Verstand zu verstehen. Ich war entsetzt. Keiner in meiner Familie ist ein Hexer, dachte ich. Schließlich habe ich es meiner Mutter erzählt, und sie, gescheit wie sie war, brachte mich zum Tanjo. Einmal in jedem Jahr kehre ich in mein Dorf zurück, drunten an der Küste, und fahre mit meinen Leuten zum Fischen, damit ich nicht vergesse, wie das alltägliche Leben meiner Schwestern und Brüder ist ... Manchmal sehne ich mich danach ...« Sie hatte sich auf der Bank halb abgewandt und schaute zu der Tür hinüber. Einen Augenblick später ging die Tür auf, und ein Mann trat heraus. Er war braunhäutig und klein und wirkte wie ein Akrobat. »Das ist Rinti«, sagte Senta. »Er ist ein Fernreisender.«
    Rinti trug eine Kette von leuchtendblauen Perlen um den Hals, und er hüpfte beim Gehen. Er rieb sich die Hände auf eine Weise, die Sorren als abstoßend empfand. »Was haben wir denn da? Was haben wir denn da?« sagte er.
    »Das ist Sorren«, sagte Senta, »und sie ist vielleicht eine von uns. Sie ist Leibeigene bei Arré Med, und ich vermute, sie ist eine Fernreisende.«
    »Ha!« Rinti grinste. Er hatte große und sehr schiefe Zähne. »Wirklich? Siehst du unbekannte Orte, Mädchen?«
    Sorren wurde es allmählich leid, immer »Mädchen« gerufen zu werden, und so sagte sie verkniffen: »Mein Name ist Sorren.«
    Rinti starrte sie an, dann lachte er. »Ich bitte dich um Vergebung.« Er ließ sich ohne Umstände im Gras nieder. Ein Duft von Knoblauch stieg von ihm auf. »Sorren, siehst du fremde Orte?«
    »Manchmal.«
    »Erzähl mir was davon.«
    »Ich sehe die Steppe – manchmal ist sie grün, manchmal ist sie braun, und manchmal liegt Schnee darauf – ich sehe die Berge ...«
    »Wie sehen die aus?« fragte Rinti.
    »Grau. Eisbedeckt. Es führen Pfade durch sie durch. In den Klüften leben Bergziegen. Die Bäche sind sehr kalt ...«
    »Weiter«, forderte Rinti. »Was siehst du sonst noch?«
    »Die Burg.«
    »Wie sieht sie aus?«
    »Sie wandelt sich«, sagte Sorren. »Manchmal sieht sie sehr alt aus, ganz in Trümmern, dann wieder neu.«
    »Siehst du Menschen?«
    »Nicht oft. Einmal habe ich einen Mann mit nur einem Arm gesehen, der schrieb in einem Turmgemach. Und ich hab' einen cheari gesehen.« Das war zwar ein anderes Bild, aber sie hatte keine Lust, Einzelheiten zu berichten. Die Fragerei wurde ihr unbehaglich.
    »Wie gelangst du dorthin?« fragte Rinti.
    »Ich geh einfach. Im Traum oder auch im Wachen.«
    Rinti runzelte die Stirn. »Du mußt nicht irgendeinen Gegenstand anfassen, um hinzugelangen?«
    »Nein. Einmal ...« – sie dachte an das Schwert – »einmal habe ich das. Aber da bin ich nicht zu dieser Burg gegangen.«
    »Wenn du reist, sind dann die Jahreszeiten die gleichen wie die, in denen du lebst?«
    Senta erklärte: »Er meint, im Herbst, siehst du dann die Burg auch im Herbst und so fort?«
    »Manchmal ja, manchmal nein«, sagte Sorren.
    Rinti nickte. »Geh jetzt dorthin!« befahl er.
    Sorren begriff nicht. Befahl er ihr zu verschwinden? Sie blickte zu Senta. Die Wahrheitsfinderin sagte: »Er will, daß du Gedankenreist, Sorren, damit er sich in dich einkoppeln und dir folgen kann. Kannst du deine Seele auf Tornor Keep konzentrieren, wenn andere Menschen um dich herum sind?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Sorren, »ich hab' es nie getan.«
    »Versuch es«, sagte Rinti. »Da!« Er grapschte das Kartenkästchen von Sentas Schoß und legte es auf Sorrens

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