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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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weitersprechen!« befahl sie leise.
    Kedéra sagte: »Meg hat sich gefreut. Lauf hat einen Knochen bekommen.«
    Merith sagte: »Ich habe eine Webarbeit zu erledigen. Willst du mir nicht helfen kommen, Kedi?«
    Kedéra fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Ich hab' doch Sorren die Burg zeigen wollen«, sagte sie. »Kannst du eine Stunde lang ohne mich auskommen?«
    Merith zuckte die Achseln. »Ich nehme an, es wird möglich sein.« Sie trat in den Wohnbau. Sorren und Kedéra blieben allein. Kedéras Augen strahlten hell wie die eines sehr kleinen Kindes.
    »Was möchtest du mir denn zeigen?« fragte Sorren.
    Kedéra zog sich den Pelzkragen enger um den Hals. »Ich hab' mir gedacht, du willst vielleicht einen Gang auf den Wall machen.«
    Sorren sagte: »Eigentlich wäre ich ja lieber drinnen.«
    Kedéra blickte enttäuscht drein. »Wir könnten uns die Kemenaten anschauen«, schlug sie vor und deutete auf das größere Gebäude. »Ich kenne den Weg hinein gut.«
    »Dann tun wir das«, stimmte Sorren ihr zu.
     
    Sie traten durch die Tür, die Merith auch benutzt hatte. Doch anstatt sich nach rechts und eine Treppe hinauf zu wenden, bog Kedéra nach links. Augenblicklich empfand Sorren die starke Kälte. Sie legte die Arme über der Brust zusammen, um die Wärme bei sich zu behalten. Kedéra sagte: »Wir kommen sonst nie hierher.« Sie wies auf die Mauern, die blank und ohne Behänge waren. »Mutter hat uns die Wandteppiche abnehmen und in die Dienstbotenräume bringen lassen – das heißt, die, die man bewegen konnte.«
    In der verschatteten Halle tauchte eine Treppe auf, die ins Dunkel hinaufführte. Sorren schnüffelte. An den Wänden hing ein verwehter Duft. Sie überlegte sich, ob Alter einen besonderen Geruch besitze. Kedéra hockte sich nieder, ihre Hände waren emsig in Bewegung. Sorren hörte das Klicken von Feuersteinen. Kedéra stand auf, einen Kerzenstumpf in der Hand. »Komm weiter!« bat sie.
    »Warte«, sagte Sorren. »Was ist da drüben?« Während sie den Gang hinabschaute, konnte sie in dem glatten Stein der Halle die Einzüge erkennen, die darauf hinwiesen, daß es dort Türen gab.
    »Das sind Vorratskammern«, sagte Kedéra. »Aber die sind jetzt leer.« Sie berührte Sorren am Arm. »Komm!«
    »Waren das immer Vorratsräume?« bohrte Sorren weiter. Dann folgte sie Kedéra die Treppe hinauf. Die hölzernen Stufen knarrten unter ihren Stiefeln mit Lauten, die fast wie Lachen klangen. Die Kerze tanzte vor ihr her, ein schmaler Lichttümpel in der ausgedehnten Dunkelheit. Sorren spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken bewegten, und befahl sich, sie solle keine Närrin sein. Nichts konnte ihr in diesen leeren Räumen etwas antun.
    »Nein«, antwortete Kedéra am Ende doch noch. »Ich glaube es nicht. Aber als es keine Kämpfe mehr gab, wurde Tornor immer leerer, und die Leute, die noch übrig waren, suchten sich die wärmsten Ecken aus und wohnten dort. Im Oberstock ist es immer etwas wärmer.« Plötzlich hielt sie die Kerze höher empor. Ein eisernes Gebilde sprang aus dem Dunkel auf sie zu. Es war ein Wandleuchter in der Form eines Fisches. Während Sorren ihn betrachtete, erinnerte sie sich an das, was Marti Hok ihr über den Rebellen aus Kendra-im-Delta gesagt hatte, der aus seiner Stadt verbannt und in den Norden gejagt worden war, um in der Wildnis zu überleben oder zu verderben. Er hatte Tornor Keep errichtet. Sorren überlegte sich, ob er wohl seinen Schmieden befohlen hatte, ihm Wandleuchter in Fischform zu schmieden, und was die davon gehalten haben mochten. Flüchtig glitt ihr ein Bild durch den Kopf – so lebendig, daß sie zunächst glaubte, eine ihrer Vergangenheitsvisionen zu erleben: ein Mann, der unablässig Fische auf ein Stück Pergament zeichnete, der versuchte, sie so aussehen zu lassen, wie die Fische, die er kannte, die Bewohner des Meeres. Sie blinzelte. Das Maul des Fischs öffnete sich nach oben weit, der Schwanz krümmte sich gegen die Wand. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte sich, berührte den Fisch. Als sie die Hand fortnahm, waren ihre Finger voll Staub. Sie beschnupperte ihre Fingerspitzen. Das war es, was sie gerochen hatte: Staub.
    Es gab Gespenster hier. Kein Wunder, dachte sie, daß mir meine Geister nicht bis hierher gefolgt sind. Sie ließ die Hand über die uralte Wand gleiten.
    »Komm weiter!« drängte Kedéra.
    Der Gang im Obergeschoß war etwas heller als der unten. Die Türen standen halb offen. Licht fiel aus ihnen. Kedéra

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