Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
Sie gingen langsam zum Eingang des Saales. Lauf erwachte, winselte und sprang an Kedéras Seite. Sie streichelte ihm die Ohren.
»Braver Hund«, sagte sie zärtlich. »Gesetzlose verscheuchender Hund.«
Der Schnee fiel noch immer, doch nun dünner, durch das graue Nachmittagslicht. Sorren umklammerte ihr Kästchen mit einer Hand. »Ich will nicht wieder in den Süden«, flüsterte sie der Burg zu.
Das Gemäuer gab ihr keine Antwort. Vielleicht hatte es ihre Anwesenheit nie richtig bemerkt, ihre Visitationen nicht zur Kenntnis genommen. Für diese Mauern bedeutete sie weniger als der Fluß. Wenn das Tauwetter einsetzte, zog der Fluß nach Süden. Sie erinnerte sich an die Gesichter der Gesetzlosen. Verzweiflung hatte sie angetrieben, nicht Schlechtigkeit. Die ihnen vertraute Ordnung hatte sie im Stich gelassen. Nein, sie vermochte diese Menschen nicht zu hassen. Sie fragte sich, ob sie zurückkommen würden, und wenn ja, wann? Vielleicht konnte man das Burgtor reparieren.
Sie fühlte sich in zwei Stücke gerissen, hin- und hergezerrt, wie sie es in Kendra-im-Delta niemals erfahren hatte. Sie wollte auf Tornor bleiben, und – sie mußte über sich selber lächeln – sie wollte mit Kedéra gehen, wohin immer sie gehen mochte.
Kedéra sagte leise: »Sorren?«
»Hier bin ich.«
»Ich bringe dir das Reiten bei, wenn du mir das Bogenschießen beibringst.«
Sorren schaute sie an. Der Schnee lag glitzernd auf ihrem Haar. Ich habe unrecht gehabt, dachte Sorren. Sie sieht wie niemand sonst aus. Sie ist ganz sie selbst, einzigartig. »Und wenn ich in den Süden fahren muß?« fragte sie.
Kedéra sagte: »Dann werde ich mit dir gehen.«
Sie hätte über einen Ausritt ins Dorf sprechen können, so selbstverständlich klang es. »Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst!« sagte Sorren und mußte blinzeln. Sie hörte sich genauso an wie Kadra. Wie kindisch mußte sie doch Kadra vorgekommen sein, mit all ihren Plänen und Absichten und Gewißheiten. Es gibt keine Gewißheit, dachte sie. Nur das Vergangene ist sicher. Und das Vergangene ist tot.
Kedéra beobachtete sie mit einem wilden Blick. Er ließ ihr die Haut brennen. Sie streckte die freie Hand vor und strich mit ihr den schmelzenden Schnee aus Kedéras Haar. Das Haar war seidenweich, daunenweich, weich wie das Licht der Sonne, so zart wie Spinnweb oder Wolfsmilchsamen.
Kedéra drehte den Kopf ganz rasch, und ihre Lippen streiften dabei Sorrens Hand. »Du siehst unglücklich aus«, sagte sie. »Ich will nicht, daß du unglücklich bist.«
Ein tiefes Knurren störte sie. Sie schauten hinunter. Lauf starrte steifbeinig zu ihnen herauf.
Kedéra lachte. »Er ist eifersüchtig!«
Und er hat Grund, dachte Sorren. Sie fragte sich, wie weit entfernt die Westlichen Berge wirklich liegen mochten, und ob in irgendeinem gottverlassenen Tal dort noch Chearis tanzten. Oder lag auch das schon in der Vergangenheit? »Du bringst ihm aber besser bei, er soll mich nicht anknurren«, sagte sie.
Kedéra packte Lauf am Halsband. »Lauf, hör mir zu! Das da ist Sorren. Sie ist meine Freundin, du dummer Hund, und ich werde nicht dulden, daß du sie anknurrst. Sie geht nicht fort. Sie gehört hierher, und du gewöhnst dich besser bald daran!« Ihre Stimme hob sich singend, hallte von den Steinen wider. »Ihr Name ist Sorren. Kannst du dir das merken? Sorren. Sorren.«
ANHANG
I. ZUR AUSSPRACHE
Die meisten Eigennamen und zweisilbigen Wörter haben die Hauptbetonung auf der ersten Silbe: Árun, Sórren, níji, Ausnahmen – wie Arré und Korré – sind mit Akzent versehen. Dreisilbige Hauptwörter – shariza, chelito – sind auf der mittleren Silbe betont. Dreisilbige Eigennamen – Tázia, Méredith, Ismenin – sollten auf der ersten Silbe betont werden; dabei gibt es allerdings einige Ausnahmen, so etwa: Tezéra, Arúna, bei denen der Hauptakzent auf der mittleren Silbe liegt. Längere Namen (Berénzia, Terézia) sind mit Akzent versehen.
Der Plural wird gewöhnlich durch ein an das Wort angehängtes »s« gebildet, wie in seji, sejis; cheari, chearis; gelegentlich durch angefügtes »as«, wie in Jalar, Jalaras. Wenn ein Wort mit »se« oder »as« endet, wie in doisse, chearas, dann wird die gleiche Wortbildung in Singular und Plural verwendet.
Der Sprachklang ähnelt dem des Englischen sehr stark. Man spricht also »a« wie in father, außer ein Wort beginnt mit diesem Buchstaben als erster Silbe (Arun, Alis), dann wird es wie das »a« in act, fact ausgesprochen.
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