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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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hob Sorrens Bogen aus dem Schnee auf und legte ihn ihr quer über die Knie.
    »Ihr habt ausgesehen ... ausgesehen wie ...« Dem Jungen fehlten die Worte. »Wie Soldaten!« sagte er. Voller Anbetung schaute er zu Sorren hinab. »Ich hab' nicht gewußt, daß man aus dem Sattel mit dem Bogen schießen kann.«
    »Genau wie ich«, sagte Sorren. Sie fragte sich, was die Gesetzlosen gedacht haben mochten, als da zwei Frauen, von denen die eine mit einem Bogen herumwedelte, die andere aus voller Lunge brüllte, sich auf sie stürzten. Ihre Flanke schmerzte sie ganz abscheulich. Aber ich habe keinen töten müssen, dachte sie. Dem Chea sei Dank! Ich habe nicht töten müssen ... Sie fragte sich, was sie getan haben würde, wären die Gesetzlosen bewaffnet gewesen. Ich wäre wahrscheinlich gestorben, dachte sie.
    Kedéra sagte: »Sowas haben sie noch nie gemacht. Uns angegriffen, meine ich. Manchmal stehlen sie im Dorf unten Schafe.« Hinter ihrem Rücken besänftigte Sark das Maultier. Ein Teil des Feuerholzes war in den Schnee gefallen. Kedéra hob einen Kloben an einem Ende hoch. »Helft mir!« sagte sie.
    Sorren bückte sich – es tat weh – und hob das andere Ende an. Sie warfen den Stamm auf den Schlitten zurück. Embri mit seiner Heugabel kam heran. Auch er bückte sich und half aufladen. Rasch hatten sie alles wieder auf dem Schlitten und trieben das Maultier vorwärts. Sorren warf einen Blick zu den Bäumen zurück, doch da war nichts mehr von den Marodeuren zu sehen; der Widerstand hatte sie entmutigt. Lauf trottete neben dem Schlitten her, die Pelzmütze fest im Fang. Sie schoben sich durch den treibenden Schnee, und der Wind biß ihnen ins Gesicht und sang seine eigene Melodie. Kedéra stapfte neben ihrer Stute her, beklopfte sie und überschüttete sie mit Lobesworten. Merith wartete unter dem Tor. Ryke rannte voraus und stürzte sich in ihre Arme.
     
    Sie versammelten sich im Saal. Ryke, der noch immer seine provisorische Keule schwang, wurde allmählich übermütig, bis Sark scharf auf ihn einsprach und ihn so dazu brachte, sich hinzusetzen. Sorren trat ans Feuer und wärmte sich die Hände. Kedéra trat an ihre Seite.
    »Wer waren die Leute?« fragte Sorren.
    »Wer?«
    »Die Gesetzlosen.«
    Kedéra runzelte die Stirn. »Gesetzlose – sind eben Gesetzlose. In ihren Dörfern jagt man sie fort. Manche sind Diebe. Sie leben auf der Steppe in den kleinen runden Steinhütten, die die Torfstecher sich gebaut haben. Sie überfallen die Dörfer und stehlen dort Schafe. Aber sie haben noch nie zuvor eine Burg angegriffen.«
    Sorren erinnerte sich an die leichenfahlen Gesichter der Räuber. »Sie müssen elend Hunger haben«, sagte sie. Es tat ihr weh, daß Menschen so leben mußten. »Sie sollten in die Städte gehen und sich Arbeit suchen.«
    Merith sagte: »Das Leben in Tezera ist auch nicht leicht, wenn man an die Steppe gewöhnt ist.« Sie streichelte Ryke übers Haar, bis dieser ärgerlich den Kopf fortzog.
    »Und was werden sie jetzt tun?« fragte Sorren, aber sie rechnete nicht mit einer Antwort.
    Sark sagte: »Sich ein Schaf stehlen.« Er lag schwer über dem Tisch, und Sorren fragte sich, ob er krank sei.
    Merith sprach scharf: »Sark, bist du müde?«
    »Nee.« Aber er ließ den Kopf hängen.
    Kedéra trat zu ihm. »Aber sicher bist du müde«, sagte sie. »Warum gehst du nicht, hockst dich auf einen Schemel in der Küche und ruhst dich aus?« Sie drängte den alten Mann, von der Bank aufzustehen, und schob ihn in die Küche. Sie kehrte mit einem Tablett mit Trinkbechern und einer Weinkaraffe zurück. »Meg sorgt schon dafür, daß er sich ausruht«, sagte sie.
    Juli servierte das Essen. »Du hättest sie alle erschießen müssen«, murrte sie mordlüstern. »Diebe und Übeltäter, das isses, was die sind.«
    Kedéra sagte: »Nein, sie frieren nur und haben Hunger.«
    »Dann sollten sie sich 'ne Arbeit suchen.«
    Merith sagte: »Es gibt keine Arbeit.« Sie blickte ihre Tochter an. »Und es wird auch so bald keine geben, es sei denn, es ändert sich etwas.«
    Kedéra richtete sich steif auf. »Ich will jetzt nicht darüber reden«, sagte sie.
    Merith sagte: »Wir müssen es aber!« Zwei rote Flecken glühten auf ihren Wangen, als hätte sie Fieber. »Kedi ...« – ihre Stimme nahm einen flehenden Klang an – »diese Menschen sind in unsere Obhut gegeben. Sogar die Gesetzlosen. Wir müssen einen Weg finden, wie wir ihnen helfen können, wie wir diese Armut erträglicher machen können, die sie zu Dieben

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