Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
was sie und vor ihnen ihre Väter und Mütter erreicht haben.«
Nun komm schon endlich zur Sache! dachte Arré.
»Doch, ohne die Verdienste der Familien schmälern zu wollen, die hier vertreten sind, muß ich sagen, daß ein Gutteil der Fortschritte durch die Bemühungen der Familien Jalar und Ismenin erzielt wurde. Aus diesem Grund schlage ich vor, daß wir diese zwei Familien auffordern, in den Rat einzutreten, so daß wir dann sieben Mitglieder hätten.«
Er machte eine Pause. Die einzigen Laute im Raum waren das Sausen des Windes am Fensterschirm und das leise Schaben des Pinsels der Schreiberin.
Oh, ist das raffiniert, dachte Arré, als ihr die Bedeutung dieser zwei Namen klar wurde. Martis Familie, die Hok, war die älteste der Stadt, und Marti Hoks zweites Kind, ein Sohn, war mit der Tochter von Meredith Jalar verheiratet. Die Jalaras beherrschten die Docks und die Fischereiflotte. Die Ismeninas besaßen die Minen. Jahrelang war Kendra-im-Delta beim Handel mit Metall von Tezera abhängig gewesen, besonders mit dem Kupfer und Eisenerz. Doch die Ismenin-Familie hatte in den Bergen östlich vom Fluß Kupfervorkommen entdeckt und Eisenerzlager westlich von Shanan in den Roten Bergen. Eisen und Silber, Kupfer und Kohle gingen alle erst durch die Hände der Ismeninas, ehe sie zu den Händlern und auf die Märkte der Stadt gelangten. Es war eine grobe und ungehobelte Sippschaft, reich, aufbrausend und mächtig.
Und Ron Ismenin und Isak Med waren sehr eng miteinander befreundet.
Arré hob das Glas vors Gesicht und betrachtete Cha Minto durch das blaue gewellte Kristall. Sie überlegte, ob er wußte, was er da anstellte, ob ihm das überhaupt klar war.
Marti Hok sagt: »Die Familie Jalar verdient schon lange einen Sitz im Rat der Häuser.« Boras Sul grunzte zustimmend.
Cha schaute selbstgefällig drein. »Allerdings ...« – Chas Gesicht wurde schlaff – »bin ich nicht so begeistert über die Ismeninas.«
Boras sagte: »Die zetteln immer Schlägereien an, dieser Haufen von Jungmännern, und sie sind alle noch zu jung.«
Cha Minto sagte: »Ron Ismenin ist siebenunddreißig Jahre alt. Und es sind nur vier Brüder, Boras!«
Boras lief purpurrot an, er sah aus wie eine Schildkröte, die gleich zuschnappen wird. Marti hob die Hand. »Letzte Woche hat es in den Werften Aufruhr gegeben, Cha. Und die jüngeren Ismeninbrüder waren mitten drin im Gewühl. Sie raufen gern und zetteln gern Streit an. Das beunruhigt mich. Was würde geschehen, wenn Ron Ismenin tot umfällt? Der Friede des Chea bliebe bei uns allen, ich sehe das nicht voraus – aber ich habe nicht den geringsten Wunsch, Doyenne in einem Rat von ungebärdigen Kindern zu sein!«
Kim Batto fuhr sich durch den Bart. »Ich glaube, das ist nicht fair, Marti«, murmelte er.
Oho, dachte Arré. Soll das heißen, der Weiße Clan begünstigt die Aufnahme des Hauses Ismenin?
Cha griff Battos Einwand auf. »Es ist unfair! Was wäre, wenn einer von uns hier tot umfällt? Was wäre, wenn du stirbst, oder Arré hier?«
Boras Sul räusperte sich. »Das ist voreiliges Geschwätz«, nuschelte er. »Sogar die Hexenleute wollen es nicht sagen, wann jemand vor dem Sterben steht.«
Marti Hok sagte: »Cha, das war sehr ungehobelt. Boras hat völlig recht. Wenn – möge das Chea mir noch ein paar Jahre gewähren –, wenn ich morgen tot umfallen sollte, dann ist mein ältester Sohn, Sironen, bestens dazu befähigt, meinen Sitz im Rat einzunehmen, wie er dies schon bei den Geschäften der Familie getan hat. Und wenn Arré stirbt, ist da Isak. Er ist noch jung, aber er ist ein Künstler, und schon deshalb zivilisiert. Und die Ismeninas sind unzivilisiert!« Sie nickte Sorren zu, ihr das Glas wieder zu füllen.
Cha Minto sah aus, als habe ihm soeben jemand einen Eimer Sand über den Kopf geschüttet. Arré grinste boshaft. Martis Zunge war mit wachsenden Jahren keineswegs stumpf geworden. Selbst Kim Batto hielt die Hand vor den Mund und versteckte halbwegs sein breites Grinsen.
»Ich entschuldige mich«, sagte Cha Minto. »Es lag mir fern, beleidigend zu sein.«
Kim ließ die Hand sinken. Seine Stimme klang glatt: »Ich weiß deine Argumente zu würdigen, Marti. Ich kenne Ron Ismenin ein wenig. Und er ist ein vernünftiger Mann. Die Jalaras sind – selbstverständlich – absolut akzeptabel. Aber ich unterstütze Cha Minto in seinem Antrag und bin bereit, den Versuch zu unternehmen und mit den Ismeninas zu verhandeln.«
»Ich bin dagegen«, sagte Boras Sul. Sorren
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