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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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voll Essen. Hastig eilte sie den Gang hinab zum Garderobenzimmer, in dem die Mäntel der Gäste hingen. Boras Suls Diener kam aus der Küche, und sie hörte, wie der Fettkoloß aufgeregt mit ihm tuschelte. Sie wartete, solange sie sich getraute, tat so, als sei sie mit den Mänteln beschäftigt, bis sie sie fortgehen hörte.
    Sie ging zum Salon zurück, um Marti Hok den Mantel zu bringen. Arré und Marti standen dicht an der Tür und sprachen miteinander. Sorren wartete, daß sie aufhörten. Toli aus der Küche stellte die leeren Karaffen und fleckigen Gläser auf ein Tablett. Kim Batto, der affektierte Laffe, war schon gegangen. Sorren strich über Martis Mantel. Es war ein Pelz, ein weicher weißer Pelz, viel zu warm, dachte Sorren, für den Sommer. Die alte Frau drehte sich um und sah sie mit dem Fell.
    »Ja, gib's mir, mein Kind!« sagte sie lächelnd.
    Sorren legte ihr den Mantel um die Schultern. Marti hatte eine lichtbraune Haut, fast gelblich wie sie und von tausend weichen Fältchen durchzogen. Das Haar war weiß, und sie trug es in einem Zopf zu einer Krone auf dem Kopf geflochten. Sie war klein und untersetzt wie Elith, doch Sorren glaubte, sie müsse älter sein als Elith: sie hatte Söhne und Töchter und Enkel und vielleicht sogar Großenkel.
    Die alte Frau blickte ihr von unten her ins Gesicht. »Du bist zu groß, Kind. Arré, wie hältst du es nur aus, diese junge Riesin ständig um dich zu haben?«
    »Ich liebe großgewachsene Leute, Marti.«
    »Jaja. Wie alt bist du, Kind?«
    »Siebzehn, Herrin«, sagte Sorren.
    »Du wirst nicht vergessen, daß du mir versprochen hast, mich in meinem Haus zu besuchen?«
    »Aber sicher wird sie es nicht vergessen«, sagte Arré. »Und, Marti, es ist fast Mitternacht. Geh endlich!«
    Marti lachte. »Ich sitze ja doch die halbe Nacht wach, Arré. Ich schlafe von Jahr zu Jahr weniger. Wenn ich neunzig sein werde, werde ich die ganze Nacht wachend dasitzen wie eine federlose alte Eule auf einem Baum, zu alt, sich noch selber ihre Mäuschen zu fangen – und dann werde ich sehr, sehr weise sein.«
    Sorren mußte darüber grinsen. Marti sah wirklich ein bißchen wie eine Eule aus. Sie schob die Hand vors Gesicht, um ihr Lächeln zu verbergen.
    Arré sagte: »So mag es wohl kommen. Aber du bist bereits jetzt schon klüger, als gut ist für dich. Trotzdem hältst du mich vom Zubettgehen ab, und ich schlafe nachts noch!«
    »Oh, na schön. Also geh ich jetzt und überlasse dich deinem Bett.« Marti nickte Sorren zu. »Ruf meine Sänfte, bitte!«
    Sorren trat auf den Hof. Im Fackelschein sah sie den tuchbedeckten Buckel einer Sänfte. Die vier Träger hockten daneben auf der Erde. Sie sah ein Licht von einer Hand zur nächsten schattenhaften Hand wechseln, und der Nachtwind trug den Duft von Himmelskraut zu ihr herüber.
    Sie ging über den Hof. Als sie bei den Trägern angelangt war, bemerkte sie, daß der Torposten sich zu ihnen gesellt hatte. Er war einer der ältesten Wachen, und sein Name war Borti. Paxe murrte über sein Alter, über seine Langsamkeit, doch irgendwie fand sie nie die Zeit, ihm zu sagen, er solle seine Dienstlitzen zurückgeben. Sorren mochte den alten Mann gern. Als sie ins Haus gekommen war, hatte er sie auf seinem Rücken überallhin getragen. Er pflegte sie »Bohnenstange« zu rufen, und bei ihm ließ sie sich das gefallen. »Sie ist fertig«, sagte sie zu den Sänftenträgern. Sie drückten ihr Rauchzeug aus und rollten auseinander. Einer zerrte die Haube von der Sänfte und rollte sie zu einem Ball zusammen.
    Sorren kehrte ins Haus zurück, um Marti zu sagen, daß die Sänfte bereitstehe. In diesem Augenblick kam Azulith den Gang herunter. Um ihren wulstigen Mund war Fett verschmiert, und sie trug zusätzlich zu den Schriftrollen und dem Tuschkasten einen kleinen Beutel mit sich. Der Geruch von Fischkuchen strömte daraus hervor. »Gute Nacht, Sorren«, rief sie über die Schulter zurück.
    »Gute Nacht dir«, antwortete Sorren.
    »Gute Nacht, Sorren«, sagte eine ihr vertraute neckende Stimme.
    Sorren wirbelte herum. In der Tür stand Isak und hinter ihm Cha Minto.
    Sie war noch immer ärgerlich auf ihn. »Mein Herr«, sagte sie. »Ich dachte, Ihr wäret bereits gegangen.«
    »Noch nicht ganz«, sagte er. Minto in seinem Rücken war bleich, und sie fragte sich, ob diese Blässe auf Isak zurückzuführen sein konnte. »Komm in zehn Tagen in mein Haus! Wir müssen die Brautwerbung probieren.«
    Zehn Tage – das war direkt nach dem Ochsenfest der

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