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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Trommeln zu einem Crescendo, und der Tänzer war wieder ein Adler.
    Sorren ließ die Hände auf die Knie sinken, Isak nahm die Fächer vom Gesicht fort. Er lächelte. Auf den Straßen, dachte Arré, würden sie jetzt jubeln und kreischen vor Begeisterung. Sogar Azulith blieb still, sprachlos, das breite Gesicht verzückt, Tusche und Schreibblätter in der Verzauberung ganz vergessend.
    Sorren stand auf und öffnete die Türflügel. Isak rauschte durch die Tür, und sie folgte ihm. Die Stadträte blieben lange stumm sitzen. Schließlich rutschte Cha Minto in seinem Sessel nach vorn und sagte: »Arré, dein Bruder ist sehr begabt.«
    Arré blickte ihn überrascht an. Isak liebte ausschließlich Frauen – sollte sich sein Geschmack gewandelt haben? Doch nein, Cha sah nicht aus wie einer, der gerade der Darbietung eines Geliebten beigewohnt hatte. Und wieder fragte sie sich, was heute mit Cha Minto nicht stimmte.
    Marti Hok wandte sich Kim Batto zu. »Hilf mir bitte aufstehen!« bat sie. Er erhob sich und half ihr. »Diese alten Gebeine«, sagte sie. »Wenn ich zu lang an einer Stelle sitze, muß man mich nachher praktisch heraushieven!« Sie humpelte an den Wänden des Salons entlang. Sorren kam wieder herein. Sie hatte die Kleider gewechselt und trug nun wieder die weiche blaue Tunika und blauen langen Hosen, die Arré an ihrer Dienerschaft gern sah. Sie glitt an das offene Fenster. Der kühle dunstige Seewind, der aus dem Süden blies, wehte ihr Haar ganz auf eine Seite.
    Boras wuchtete sich aus dem Sessel. »Ich bin zu lang gesessen«, sagte er. »Entschuldigt mich.« Er watschelte zur Tür hinaus. Cha Minto drehte sein Weinglas in den Fingern. Sorren trug die Karaffe hinüber und füllte sein Glas wieder.
    Marti blieb an Azuliths Schemel stehen. »Deine Schrift ist bildschön, Zuli«, sagte sie. Sie legte ihre gichtige Hand der Frau auf die Schulter.
    »Ich danke dir, Herrin«, sagte die Schreiberin. »Weiß das Chea, ich mach es schon lang genug. Achtundzwanzig Jahre beim nächsten Neumond.«
    »Wer hat dich ausgebildet?«
    »Samia-no-Reo, Herrin.«
    »Ah!« murmelte Marti. Samia-no-Reo war eine der großen Schreibkünstlerinnen des Schwarzen Clans gewesen. »Ich hab' sie gekannt, als ich ein kleines Mädchen war. Sie hat mir immer Geschichten erzählt. Du mußt ja fast so alt sein wie ich, Zuli!«
    »Ich werd achtundfünfzig, im Erntemond«, sagte die Schreiberin.
    »Hast du Kinder?«
    »Sechs davon«, sagte die alte Frau.
    Boras Sul kehrte zurück. »Nun, nun, nun«, sagte er, »was kommt als nächstes, he?« Er setzte sich. Marti stapfte mühsam zu ihrem Sessel zurück, und Sorren half ihr beim Niedersetzen. Arré setzte sich ein wenig gerader hin. Ihr Nacken tat ihr weh.
    »Ich habe eine Erklärung abzugeben«, begann Cha Minto.
    Er hatte sein Glas beiseitegestellt und saß da, die Fingerspitzen aneinandergelegt, es war die Geste eines Gelehrten, und sie wirkte falsch an ihm. Arré dachte an Isak, dessen Talent jede beliebige Geste als wahr und echt erscheinen ließ. Sie fragte sich, ob er wohl noch innerhalb des Hauses war, ob er vielleicht seine Kleider zusammenlegte, dieses elegante Tänzerkostüm, und ob er wartete, voll Ungeduld und Wildheit wie der Adler.
    Doch worauf könnte er warten? »Der Rat hört«, sagte sie fest.
    Cha Minto räusperte sich. »Es ist der Brauch«, begann er, »daß dieser Rat seine Mitgliederzahl vergrößert, wenn Familien der Stadt stark und wohlhabend genug geworden sind, daß sie einen Sitz im Rat verdienen. Als der Rat gebildet wurde, bestand er aus drei Häusern, aus der Hok-Familie, der Med-Familie und der Batto-Familie. Die Häuser Sul und Minto wurden im sechsundneunzigsten Jahr des Rates in das Gremium aufgenommen, das war, wie ihr ja alle wißt, vor fünfzig Jahren.«
    Boras Sul blickte verärgert drein, er hörte es nicht gern, wenn man erwähnte, daß seine Familie nicht zu den allerersten Ratsmitgliedern gehört hatte.
    »In diesen letzten fünfzig Jahren ist Kendra-im-Delta weitergewachsen. Wir haben einen Waffenstillstand und Verträge mit den Asechstämmen ausgehandelt, und so herrschte Frieden zwischen den Menschen von Arun und den Wilden der Wüste.«
    Das, dachte Arré säuerlich, hat aber mehr mit dem Einfluß der Hexenleute auf die leichtgläubigen Asech zu tun gehabt als mit den Machenschaften des Rates der Häuser.
    Cha fuhr fort: »Der Handel mit Anhard hat zugenommen.«
    Das stimmte allerdings.
    »Die Ratsmitglieder können, denke ich, stolz auf das sein,

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