Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
Stadttoren mit Waagen und Gewichten und Maßen. Kaufleute und Reisende, die Einlaß in die Stadt begehrten, übergaben ihnen ihre Metallmünzen und erhielten dafür Armbänder mit Muscheln. Wenn sie davonzogen, gaben sie die restlichen Muscheln zurück und erhielten den Gegenwert in Metallmünzen wieder, abzüglich einiger Prozent Stadtsteuer.
Das Haus Sul vergab die Lizenzen an die Münzprüfer und Geldwechsler. Außerdem überwachte es die Handwerker, die die Perlmuschelschalen schnitten, aus denen die Bontas gefertigt wurden. Die Muscheln wurden zu fünf verschiedenen Größen zugeschnitten. Die kleinste war am wenigsten wert. Die Stadtleute nannten sie »die Knochen«. Die kleine Münze nannten einige »Wunschknochen«, andere einen »Fingerling«. Die anderen waren unter den Namen »Daus«, »Dreier«, »Tetra« und »Fünfer« bekannt, die man auch als »Largos« bezeichnete. Das sorgfältige Messen und Abwiegen der Metallwährung war für die Stadt lebenswichtig; wenn jede Dorfgemeinde den Fluß hinauf ein Wappen auf ein Stück Kupfer prägen konnte und es als Geldmünze ausgab, wirkte sich die Herstellung der bontas in Kendra-im-Delta als Stabilisierungs- und Normierungsfaktor aus und nutzte so der Gemeinwirtschaft in Arun.
Doch in jüngster Zeit, erklärte Boras, seien die Wechseltische überhäuft worden mit Münzen, die aus Bronze gefertigt waren. »Wie wenn man Steinchen auf die Waagschale wirft! Man könnte geradesogut einen Brocken Lehm nehmen, ein Zeichen reinschneiden und es Geld nennen!«
Er hat selbst ein Gesicht wie eine Bronzemünze, entschied Arré. Rund und flach und genau von der Farbe. Er funkelte sie alle an, als verdächtige er sie, die Inflation angezettelt zu haben. »Bloße Zeitverschwendung für die Geldwechsler!«
»Woher kommen diese Münzen?« fragte Marti.
Boras sagte mürrisch: »Aus Nuath.«
Nuath war nach Mahita die größte Stadtgemeinde am Fluß. Der größte Teil des Getreides für Kendra-im-Delta floß zunächst nach Nuath und dort auf die Barkassen des Blauen Clans, auf denen es flußabwärts befördert wurde. Sie müssen gute Geschäfte machen, dachte Arré, wenn sie sich eine Münzanstalt leisten können. Die meisten Gemeinden am Fluß verwendeten die Münzprägungen von Shanan oder Tezera.
»Sie prägen ein Gesicht auf die Münzen«, sagte Boras. »Und man unterrichtete mich, daß es das Gesicht des Stadtbankiers ist. Bezeichnet sich selber als Lord. Der Name ist Tarn. Und er nennt sich ›Tarn in Nuath‹.«
Kim Batto sagte: »Ich habe von ihm gehört. Er ist ein Ryth.« Das Haus Ryth war eine der prominentesten Familien des Blauen Clans, und ein Zweig von ihr saß in Kendra-im-Delta, ein weiterer in Shanan. »Er hält sich für einen Edeling, weil er Geld hat. Und er ist ehrgeizig.«
Marti lächelte. »Wer wäre das nicht?«
Kim blickte fromm drein.
»Gefährlich?« fragte Arré. Bagatelladelige, besonders jene, die die Kontrolle über eine Schlüsselposition im Getreidehandel ausübten oder ausüben konnten, mögen sich als gefährlich erweisen.
»Ich glaube, nein«, entgegnete Kim.
Marti sagte leichthin: »Wie kommt es, daß du von diesem Mann weißt, Kim?«
Kim lächelte: »Ich verkaufe ihm Töpfe.«
Kim hielt sich für so etwas wie einen Sachkenner, was die Töpferei der Asech betraf. Man hatte davon gehört, daß Leute ihn von so weit her wie Shanan als Experten für die Arbeiten irgendeines bestimmten Stammes, ja sogar eines bestimmten Töpfers heranzogen. »Besitzt er Geschmack?« fragte Marti höflich.
Kim schnippte ein Staubkörnchen von seinem Ärmel. »Keine Spur, meine Teure«, sagte er. »Der Mann ist ein Barbar.«
Er sagte es recht selbstgefällig. Arré bemerkte, daß sie ihre Finger verärgert ineinanderkrümmte. »Boras«, sagte sie hastig – sie würde sich nicht dazu hinreißen lassen, grob gegen Kim zu werden, denn das würde die Sitzung nur noch mehr in die Länge ziehen –, »wie verhalten sich deine Wechsler angesichts dieser Münzen bisher?«
»Sie ignorieren sie, meistens«, murrte Boras. »Schleusen sie durch. Manche unter den Stadtkaufleuten nehmen sie als Zahlungsmittel an, andere nicht. Aber mir gefällt das Ganze nicht. Das unterminiert die Wertmaßstäbe.«
»Ihr könntet getrennte Tische für die Bronzemünzen aufstellen lassen«, sagte Arré.
»Zuviel Umstände«, sagte Boras. »Außerdem würde das die Leute nur ermutigen, sie zu benutzen.«
Das stimmt, dachte Arré. Gelegentlich produzierte also sogar Boras Spuren
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