Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
Tezeraner Mode gekräuselt. Sie trug gelbe Seide und hochschäftige braune Lederstiefel. Als sie Paxe erblickte, kam sie eilig vor Sereth her auf sie zugelaufen. »Hofmeisterin Paxe!« Sie reckte die Hände vor. »Ich versichere dir, ich weiß nichts darüber, daß da Waffen in meiner Wolle versteckt waren!«
»Wann hast du zuerst was davon erfahren?« fragte Paxe.
»Als deine Wachen die Kiste aufgemacht und sie entdeckt haben. Ich bin entsetzt darüber, selbstverständlich.«
Paxe musterte die Händlerin von oben bis unten. »Wer könnte Waffen in deine Kisten einschmuggeln, ohne daß du etwas davon weißt, Vanesi?«
Die Frau seufzte und stemmte dann beide Hände auf die üppigen Hüften. »Jeder, der über einen Geldbeutel verfügt. Nur wenige von meinen Leuten sind unbestechlich. Es gibt auf jeder Fahrt kleine Diebereien, aber dies ist das erstemal, daß jemand mir Sachen in die Kisten hineinsteckt, statt sie herauszunehmen. Hofmeisterin, du kennst mich doch, seit sechs Jahren fahre ich durch dieses Tor. Ich bin eine Handelsfrau; warum sollte ich Waffen in die Stadt bringen, eine Geldstrafe riskieren oder das Einreiseverbot oder noch Schlimmeres?«
Paxe kratzte sich am Kinn. Draußen vor dem Tor zankte jemand sich mit einem Posten herum, daß es so endlos lange dauere, bis man Einlaß finde, und Sereth eilte hinaus, um für Ordnung zu sorgen.
»Vanesi, ich kenne dich in der Tat«, sagte Paxe. »Und ich würde dir gern Glauben schenken. Wer ist dein Karawanenführer?«
»Leth-no-Chayatha. Er logiert in der Bernsteinstraße im Minto-Bezirk.«
»Ich werde dafür sorgen, daß man ihn befragt. Die Wolle und die Kiste, in der sie kam, gehören dir, nehme ich an.«
Vanesi blickte finster drein. »Unseligerweise kann ich das nicht bestreiten. Mein Stempel steht auf der Kiste.«
»Das Gesetz ist dir bekannt«, sagte Paxe. »Ich muß darüber Meldung machen.«
»Ich weiß«, sagte Vanesi. »Ich nehme an, ich werde vor meinen Clan geladen werden. Aber darf ich für jetzt gehen? Ich wohne in der Dritte-Brunnen-Straße, und du weißt ja, wo die ist.«
Die Dritte-Brunnen-Straße lag gleichfalls im Minto-Bezirk. »Wenn man dich benötigt ...«
»Werde ich zur Verfügung stehen«, versprach die Kauffrau.
»Gut, dann kannst du jetzt gehen«, sagte Paxe. »Ich bedaure, daß du aufgehalten wurdest.«
Das stattliche Kaufweib zuckte die Achseln. »Ich bin schon schlechter behandelt worden.« Sie stapfte davon. Sereth kam vom Tor zurück, und Paxe sah, wie er dem wandelnden Berg Vanesi nachstarrte, der sich davonwälzte.
»Ich glaube nicht, daß wir sie festhalten müssen«, sagte Paxe. »Schick jemand in die Bernsteinstraße, der Leth-no-Chayatha verhört, den Karawanenführer. Eigentlich ... ach, tu du das selber.«
»Mit Vergnügen.« Sereth fuhr mit dem Daumen in Richtung auf das Tor. »Sollen wir die Züge weiter durchsuchen?«
»Sicher doch!«
»Aber das bringt Verzögerungen im Fluß.«
»Soll es doch!«
Sereth verbeugte sich, die Handflächen gefaltet. »Hofmeisterin.« Er ging seine Posten instruieren. Einen Augenblick lang empfand Paxe Bedauern für die Menschen am Ende der Wagenschlange, die eventuell vor den Stadttoren würden lagern müssen, wenn die Tore bei Sonnenuntergang geschlossen würden, aber sie konnte nichts anderes anordnen. Die Rufe aus der Karawanenschlange waren leiser geworden, die Neuigkeit breitete sich bereits vor den Stadtmauern aus.
Sie verkürzte ihre Runde, um rascher nach Hause zurückzugelangen: Arré würde über den Zwischenfall informiert werden wollen. Als sie auf der Hügelspitze anlangte, grüßte eine Stimme sie. »Hofmeisterin!« Sie drehte sich um. Es war Ivor, der Wachhabende der Spätwache. Er war so dunkelhäutig wie sie selber und hatte einen schmucken kleinen Bart und Schnurrbart, auf den er außerordentlich stolz war. »Eitel wie ein Pfau«, pflegten seine Männer zu sagen, aber sie liebten ihn, besonders weil er sie alle beim Würfeln schlagen konnte. Er war ein sehr guter Wachoffizier.
Sie wartete, bis er bei ihr war, und erwog, ob sie ihm von den eingeschmuggelten Schwertern erzählen oder besser abwarten sollte, bis sie Arré unterrichtet hatte. Sie beschloß zu warten. Ivor kam heran, das dunkle Gesicht gezeichnet von Zorn und Besorgnis. »Hofmeisterin, ich habe einen Mann verloren.«
»Was soll das heißen? Wen?«
»Seth«, sagte Ivor. »Er ist desertiert.«
Paxe fluchte wortlos. »Bist du sicher?«
»Er ist eindeutig verschwunden. Niemand hat ihn
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