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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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flog. Arré beendete ihren Brief, der sehr kurz war, und goß Streusand darüber. »Ich habe der Wahrheitsfinderin gesagt, daß ich dich zu ihr schicken werde. Aber du weißt ja, wie vergeßlich ich bin ...« Arré vergaß niemals auch nur die geringste Kleinigkeit. »Ich muß wohl vergessen haben, dir davon zu sagen.«
    Sorren fragte: »Wird sie nicht ärgerlich sein?«
    »Möglich. Aber das ist mir gleich. Und dir sollte es ebenfalls gleich sein. Du bist meine Leibeigene und stehst unter meinem Schutz. Trotzdem vermeidest du besser in der nächsten Zeit die öffentlichen Heilungen und den Tanjo tunlichst.«
    »Das tue ich ja sowieso«, sagte Sorren.
    »Hast du alle Einkäufe erledigt?« fragte Arré.
    »Ja.«
    »Ist das Haus sauber? Die Wäsche gewaschen?« Sorren nickte. »Gut.« Arré faltete den Brief und versiegelte ihn mit dem Med-Siegel auf rotem Wachs. »Dann könntest du dies hier zu Marti Hok tragen.«
    Aber Marti Hok war nicht zu Hause. Die Hok-Wachen erinnerten sich an Sorren und ließen sie an die Vordertür durch, ohne das Med-Siegel auf dem Brief auch nur anzusehen. Das Mädchen mit dem weißen Kleid machte ihr die Tür auf. »Ich bringe einen Brief von Lady Med an die Lady Marti«, sagte Sorren. »Ist sie zu sprechen?«
    Das Mädchen verzog entschuldigend das Gesicht. »Sie ist mit ihrem Sohn am Hafen. Ist es eilig? Ich kann ihr den Brief durch einen Posten zustellen lassen.«
    »Ich glaube nicht«, sagte Sorren. Arré hatte nichts von Eile gesagt.
    »Yona? Was gibt's?« rief eine Frauenstimme. Eine Tür im Innern des Hauses fiel zu, und eine Frau trat in den Flur. Sie hatte ein weiches Silberkleid an, das sich mächtig über ihrem offenkundig schwangeren Bauch spannte. Das Mädchen und Sorren verneigten sich beide.
    »Sie ist eine ...«
    »Ich habe einen ...«
    Sie brachen beide gleichzeitig ab. Alanna Hok lachte. »Nicht gleichzeitig beide«, sagte sie und nahm Sorren den Brief aus der Hand. »Was ist denn das? Oh, ich sehe. Ich leg ihn Mutter auf den Tisch.« Sie hatte ein rundes freundliches Gesicht, und das Haar fiel ihr in weichen braunen Locken über die Wangen. Ihr Rücken war leicht nach vorn durchgebogen, um das Gewicht des Kindes in ihrem Leib auszugleichen. »Jetzt weiß ich wieder, wer du bist – das Mädchen aus dem Norden. Sag Arré Med, meine Mutter wird den Brief heute abend erhalten. Es muß wichtig sein, daß sie dich geschickt hat.« Sie wedelte mit dem steifen Papier auf und ab, als wäre es ein Fächer. »Weißt du, was drinsteht?«
    »Nein, Herrin«, sagte Sorren. Sie glaubte es zwar zu wissen, doch Arré würde ihr nicht gerade dankbar sein, wenn sie darüber redete, und sei es mit einem Angehörigen der Hok-Familie. Alanna fächelte sich träge Luft zu, und Sorren konnte in dem leichten Luftzug den Duft von Sandelholz riechen, den sie auf ihr Haar gesprüht hatte. Sorren verbeugte sich wieder. »Ich werde Arré Med deine Nachricht ausrichten.«
    In dieser Nacht fand sie keinen Schlaf. Ruhelos lag sie auf ihrem Bett, warf sich herum wie ein Fisch an der Angel, und versuchte an nichts zu denken. Schließlich setzte sie sich auf. Sie tastete auf dem Bett nach ihrer Zunderbüchse, machte eine Flamme und führte sie an den Docht der Kerze. Ihr dunkler Schatten blühte an der Wand auf. Sie holte die Karten unter dem Kopfkissen hervor und betrachtete sie in ihren Händen. Sie nahm die erste Karte hoch, den Tänzer, und legte ihn in den Schoß. Schön und vor Freude glühend strahlte er sie aus der gemalten Szenerie herauf an, als wäre er lebendig. Sie überlegte, ob er wohl ein Cheari sein könnte oder sollte. Sie ließ sie anderen Karten auch auf ihren Schoß gleiten und nahm eine zufällige zweite Karte auf: die Sonne. Man sah eine ländliche Gegend, mit einer Scheune, einem Feld und tanzenden Leuten. Sie nahm eine dritte Karte: den Reiter. Sein Mantel war grün. Konnte dieser Reiter Kadra darstellen? Sorren schaute sich das gemalte Gesicht ganz nahe an, um zu sehen, ob es einem ihr bekannten ähnelte, doch das Gesicht war dafür zu klein. Wieder nahm sie eine Karte: die Lady. Auf dem Bild hatte sie Goldhaar. Sorren überlegte sich, ob in diesem Schicksalsspiel, das sie nicht zu lesen verstand, die Lady für ihre Mutter zu gelten hatte. Dann funkelte sie der Wolf aus dem Spiel an. Die böse Wildheit seiner roten Augen war erschreckend. Der Gaukler ließ sie an Jeshim denken, dann an Isak. Sie nahm den Phoenix auf. Das, dachte sie, ist die allerschönste von den Karten: die

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