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Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Titel: Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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gehetzt hinter sich und entdeckte, dass sich dort, wo er den Raum betreten hatte, nur noch eine Wand mit welliger Stofftapete befand. Die Tür hinter ihm war verschwunden. Kai ballte die Fäuste. Ganz ruhig. Nur nicht in Panik geraten. Misstrauisch sah er sich um.
    Vor dem einzigen Fenster dieses Raums hing ein zerschlissener Vorhang, durch den sich mühsam das Tageslicht quälte. An einer Wand stand ein heruntergekommenes Baldachinbett, das so wirkte, als sei es seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden. Kais Blick glitt weiter über eine kunstvoll geschnitzte Truhe, streifte einen einsamen Kleiderständer und blieb schließlich an einem vornehm wirkenden Schminktisch hängen, auf dem verstaubte Tiegel und Flakons standen. Nicht weit davon entfernt befand sich eine Tür. Also los.
    Vorsichtig schlich er durch das Zimmer und bemerkte erst jetzt den kostbaren Wandspiegel neben dem Bett. Sein silberner Rahmen bestand aus verschlungenen Blattornamenten. Staunend hielt Kai inne. Spiegel waren kostbare Besitztümer und noch nie zuvor hatte er sich in voller Größe in einem betrachten können. Gespannt trat er neben den Bettkasten und besah interessiert sein Spiegelselbst. So also sah er aus: schwarzes, lockiges Haar, fleckiges Hemd und eine schlabberige Leinenhose. Kai sah die Schatten unter seinen Augen und musste zugeben, dass er müde und abgespannt wirkte. Doch davon abgesehen war er eigentlich ganz zufrieden mit sich.
    »Mir scheint, dass du mal eine ordentliche Mahlzeit gebrauchen könntest«, quäkte unvermittelt eine hochnäsige, metallische Stimme. »Bei so einem Hungerhering wie dir krümmt sich einem ja die Spiegelfläche vor Gram.«
    Kai schreckte zurück und entdeckte, dass sich inmitten der Blattornamente am oberen Spiegelrahmen zwei Augen geöffnet hatten, die ihn hochmütig musterten. »Wer ... was ...?«
    Doch der Spiegel fuhr respektlos fort. »Und dann diese unmögliche Frisur! Zumindest solltest du dich dazu entschließen, mal wieder einen Barbier aufzusuchen. Barbier, verstehst du? So jemand schneidet einem die Haare. Aber wem sage ich das ? So wie du aussiehst, steht zu vermuten, dass dir auch Begriffe wie Bürste, Kamm und Schere nur wenig sagen. Bei dir muss ich wirklich ganz von vorn anfangen. Ganz von vorn.« Der Spiegel seufzte. »Allein der Respekt vor der emsig arbeitenden Handwerkszunft verbietet es mir, Worte wie Schneiden oder >Schuhmacher< überhaupt auszusprechen. Warum nur überlässt man immer mir diese hoffnungslosen Fälle?«
    »Ich muss weiter«, stammelte Kai und stürzte fluchtartig zur Tür. Rasch zog er sie auf und erreichte zu seiner großen Erleichterung wieder den Gang mit der Kerze, die sich erneut entzündete. Erst auf dem Gang fiel ihm auf, dass er schräg gegenüber der seltsamen Tür mit den Symbolen herausgekommen war. Bei allen Moorgeistern! Wie konnte das sein ?
    Verwirrt starrte er von einer Tür zur anderen.
    Dies war das Haus eines Zauberers. Besser, er vergaß das nicht so schnell wieder. Kai hastete zu der Wendeltreppe im Turmerker, in der Hoffnung, dass ihn unten nicht noch mehr derartige Überraschungen erwarteten.

Magister Thadäus Eulertin
    Die düstere Standuhr in der Eingangshalle von Eulertins Heim reichte hoch hinauf bis zur Decke und erfüllte den vorderen Teil des Hauses mit ihrem schwermütigem Ticktack. Kai schien es, als wetteifere das Ticken mit dem Plätschern und Gurgeln der Wassermassen, die draußen noch immer niedergingen. Ob dieses Wunderwerk der Uhrmacherkunst wohl den legendären Werkstätten der Zwerge entstammte? Die Machart der Uhr ließ ihn jedoch daran zweifeln. Nicht nur, dass auf dem Uhrgehäuse alle Sternbilder plastisch herausgearbeitet worden waren - zwischen den Sternen lauerten allerhand unheimliche Gestalten.
    Kai gruselte es bei ihrem Anblick. Auch das vergoldete Zifferblatt gab ihm Rätsel auf. Es ähnelte einem weit geöffneten Auge. Neben Zahlen von eins bis dreizehn waren dort spiralförmige Symbole eingraviert, die ebenso geheimnisvoll wirkten wie die sieben unterschiedlich langen Zeiger, die unermüdlich im Kreis herumwanderten. Wahrscheinlich war es besser, nicht weiter über den Sinn des mechanischen Monstrums nachzudenken.
    Kai wandte seinen Blick ab und betrachtete den gekachelten Hallenboden, auf dem Wolken abgebildet waren, zwischen denen pausbäckige Windgeister ihr Spiel trieben. Das Licht, das von der Straßenseite her durch zwei große, schlanke Sprossenfenster mit aquamarinblauen Scheiben fiel, beleuchtete

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