Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
Dann waren sie verschwunden.
Kai bemerkte, dass sich seine Härchen aufstellten.
»Kann ich jetzt zu Magister Eulertin, Quiiiitsss?«, fragte er schnell und blickte sich triumphierend um. Ganz in seiner Nähe entdeckte er den Poltergeist, der soeben aus einer der Wände getreten war.
»Wartet einen Moment, junger Herr«, antwortete dieser säuerlich.
Ohne Zweifel, Quiiiitsss war enttäuscht über seinen misslungenen Überraschungsauftritt. Kai lächelte innerlich, tat nach außen hin aber so, als sei nichts Besonderes vorgefallen.
Der Hausgeist schlüpfte in den Besprechungsraum und kam kurz darauf mit drei Stühlen zurück. »Magister Eulertin erwartet Euch.«
Kai trat nun seinerseits durch die Tür - und hielt staunend inne.
Vor ihm lag eine verwinkelte Studierstube, ganz wie er sie von einem berühmten Zauberer und Gelehrten erwartet hatte. An den Wänden standen hohe Regale, die sich unter der Last von Büchern und Schriftrollen bogen. Von der Decke hing neben einem eisernen Leuchter mit zwölf Tropfkerzen das präparierte Skelett eines großen Tiers mit langen Reißzähnen. Sein langer, knöcherner Schwanz reichte bis zu einem offenen Kamin in einer der hinteren Ecken. Über dem Feuer stand ein großes, gläsernes Gefäß auf einem eisernen Dreifuß, in dem eine schwarze Flüssigkeit blubberte. Verschlungene Glasröhren leiteten den hellblauen Dunst, den die Flüssigkeit absonderte, zu einer anderen Ecke. In dieser befand sich allerlei alchemistisches Werkzeug. Alles war voll gestopft mit bauchigen Flaschen, gläsernen Zylindern sowie Tiegeln und Phiolen, die verschiedenfarbige Flüssigkeiten und Pulver enthielten.
Unwillkürlich rümpfte Kai die Nase. Tatsächlich hing im ganzen Raum ein Dunst aus Rauch, Leder, Wachs, altem Papier und unbekannten alchemistischen Zutaten. Seiner Ansicht nach war es dringend Zeit, mal wieder zu lüften.
Misstrauisch starrte Kai die Fledermaus mit den gespreizten Flügeln an, die an der Wand über dem Labortisch hing. Sie wurde von einem großen Hexagramm aus Kreide eingerahmt. Nicht weit davon entfernt befand sich das einzige Fenster. Auf dem Sims standen vier große Gläser mit kleinen Leitern darin, auf denen vier grüne, mit dunklen Punkten gesprenkelte Frösche hockten. Sie glotzten Kai mit großen Glupschaugen durchdringend an.
Vorsichtshalber wandte Kai sich von ihnen ab, bis sein Blick einen gusseisernen Buchständer streifte, auf dem ein aufgeschlagenes Buch ruhte. Neugierig trat Kai näher um es sich genauer anzusehen. Die Seiten wurden von einem ausgestopften Salamander beschwert und zeigten farbige Abbildungen seltsamer Meeresgeschöpfe, darunter Nixen, Riesenseepferdchen und gefährlich aussehende Polypen.
Nur vom Zauberer war nichts zu sehen.
Da krachte die Tür hinter ihm ins Schloss. Kai zuckte zusammen und ihm war, als höre er von irgendwoher Quiiiitsss' hämisches Gekicher. Er atmete tief ein und blickte sich ein weiteres Mal um. Doch Magister Eulertin konnte er nirgendwo entdecken. »Schön, dass wir uns endlich kennen lernen«, war am jenseitigen Ende des Raums ein leises Stimmchen zu hören. »Du bist also Kai?«
Verwirrt trat Kai einen Schritt vor und entdeckte, dass an der gegenüberliegenden Wand steinerne Stufen zu einem dunklen Durchlass führten. Der Zugang endete vor einer wuchtigen Tür mit schweren Eisenriegeln. Doch auch dort stand niemand. »Ja, der bin ich«, antwortete Kai zögernd. »Darf ich fragen, wo Ihr seid, Magister Eulertin? Ich hoffe, ich spreche nicht schon wieder mit einem Geist?«
Er blickte sich nochmals um. Auf einem hohen Lehnstuhl in der Nähe des alchemistischen Labors stand die Miniaturversion eines Hauses. Eines der Fenster war beleuchtet. Was war das? Unwichtig. Die Stimme war von weiter rechts erklungen. »Einem Geist?«, wiederholte das dünne Stimmchen und seufzte. »Aber nein, mitnichten. Ich erfreue mich bester Gesundheit. Offenbar hat es Quiiiitsss nicht für nötig gehalten, dich über meine Natur in Kenntnis zu setzen. Na, das sieht ihm ähnlich. Er vergisst oder verdreht gerne Dinge, die man ihm aufträgt. In diesem Fall empfehle ich dir, deine Aufmerksamkeit auf das Schreibpult neben dem Kamin zu lenken.« Kai tat, wie ihm geheißen wurde.
Sein Blick streifte einen wuchtigen Sekretär an der Stirnseite des Raums, neben dem ein hoher, fünfarmiger Leuchter stand. Die Kerzenhalter hatten die Form von Schlangen und machten auf Kai alles andere als einen Vertrauen erweckenden Eindruck. Doch auch dort war
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