Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
diesen Laut verursacht ?
Kai konzentrierte sich auf seine magischen Sinne, ganz so, wie es ihm Magister Eulertin beigebracht hatte. Schließlich vernahm er ein Kratzen, das sich langsam entfernte. Das Geräusch kam tatsächlich vom Dach des Hauses.
Ohne Zweifel, dort oben war jemand. Kai haderte einen Moment lang mit sich, dann sprang er aus dem Bett. Vielleicht handelte es sich um einen Einbrecher ? Er musste Klarheit gewinnen, was da über ihm vor sich ging.
Im trüben Licht seiner verbliebenen Irrlichtlaterne schlich er zur Zimmertür. Um die andere hatte ihn schon vor zwei Wochen Magister Eulertin gebeten, der damit den Eingangsbereich seines Hauses beleuchten wollte. Kai hatte ihn nicht genauer danach gefragt, aber er hielt es durchaus für möglich, dass der Magister sie als eine Art Köder nach draußen gehängt hatte. Denn wenn er Eulertin richtig verstanden hatte, war das Haus mit einer Reihe von wirksamen Schutzzaubern gesichert.
Wie konnte es dann aber sein, dass ein Unbekannter unbehelligt auf dem Dach ihres Heims herumkraxelte ?
Leise zog Kai die Tür auf. Wieder flammte an der Wand gegenüber die Kerze auf dem Drachenleuchter auf. Hoffentlich bemerkte ihn niemand. Sicher sah es der Däumlingszauberer nur ungern, wenn Kai mitten in der Nacht durch das Haus stromerte. Abgesehen von seiner Kammer, der Küche, den Vorratsräumen und der Studierstube war es ihm streng verboten, die Zimmer des Hauses zu betreten. Einen genauen Grund hatte ihm Magister Eulertin nicht genannt. Kai wusste nur, dass das Haus vor dem Däumling zahlreiche andere Bewohner gehabt hatte. Und sie alle hatten hier ihre Spuren hinterlassen. Da Kai sich noch gut an seinen unerquicklichen Ausflug in den merkwürdigen Raum mit den Schuhen zurückerinnerte, hatte er sich bislang nicht schwer damit getan, der Anordnung Eulertins Folge zu leisten.
Jetzt aber wollte er wissen, was da oben über das Dach kletterte. Kai überprüfte vorsichtshalber die Härchen auf seinen Armen. Kein Quiiiitsss weit und breit. Inzwischen konnte er den Poltergeist sogar spüren, wenn sich dieser im Raum nebenan befand. Sicher spukte Quiiiitsss gerade unten in der Küche. Aus unerfindlichen Gründen war der große Herd sein liebster Aufenthaltsort. Und da Kai inzwischen ebenfalls darüber aufgeklärt war, dass der Däumlingszauberer die Studierstube nur sehr selten verließ, fühlte er sich vor Entdeckung relativ sicher. Eulertins wahres Zuhause war das kleine Häuschen auf dem Lehnstuhl, das Kai am Tag seines Erwachens in der Studierstube gesehen hatte. Die geringe Größe des Zauberers brachte ihn bisweilen noch immer zum Staunen.
Das Geräusch auf dem Dach war längst verstummt. Dafür spürte Kai jetzt ein leichtes Vibrieren in der Wand. Kai runzelte misstrauisch die Stirn. Fast konnte man meinen, das unbekannte Etwas sei auf dem Weg ... nach unten.
Ein Geist? Irgendeine Kreatur, die durch Wände gehen konnte? Was, wenn jemand versuchte, Magister Eulertin im Schlaf zu überraschen ?
Alarmiert lief Kai zu dem Erker mit der Wendeltreppe und tastete sich über die Stufen nach unten. Kurz darauf hatte er die Eingangshalle erreicht.
Durch die beiden hohen Sprossenfenster mit den aquamarinblauen Scheiben fiel das Licht der Irrlichtlaterne herein. Sie hing direkt über der Eingangstür und wiegte sich leicht im Wind.
Ihr silberner Lichtschein erhellte auch das Fachwerkgebäude gegenüber. Dort wohnte eine Magierin namens Alpme Somnia. Kai hatte sie schon zweimal dabei beobachtet, wie sie große Kisten in ihren Laden trug. Bei der gedrungenen Frau, die stets ein braunes Kopftuch trug, handelte es sich nicht, wie sonst in der Windmachergasse üblich, um eine Windmacherin, sondern um eine Traumhändlerin. Im Fenster ihrer Auslage bot sie Schlafmittel, Tinkturen und geheimnisvolle Pülverchen an, die man vor dem Zubettgehen einnehmen musste. Angeblich kam der Käufer dieser Mittelchen so in den Genuss abenteuerlicher Traumreisen. Doch Quiiiitsss hatte angedeu tet, dass Alpme Somnia unter der Ladentheke noch ganz andere Träume verkaufte. Es waren dies Traumgespinste, in denen die Käufer ihre düsteren Machtfantasien und geheimsten Gelüste ausleben konnten. Außerdem hatte die Zauberin sogar Träume von Zwergen, Kobolden und Elfen im Angebot.
Wann immer Kai daran dachte, fragte er sich, was wohl aus Fi geworden war. Er hatte den Elfen jetzt schon seit fast einem Monat nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich war Fi froh darüber. Sicher hatte Kai keinen besonders
Weitere Kostenlose Bücher