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Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Titel: Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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er in die neue Kleidung, die ihm der Poltergeist gebracht hatte: Sie bestand aus einem eleganten Gehrock mit Messingknöpfen, zu dem ein blütenweißes Hemd und Beinlinge aus dunklem Leder gehörten. Noch nie hatte er so vornehme Kleidung getragen. Seine Freude wich, als er die engen Spangenschuhe anprobierte. Schmerzhaft drückten sie gegen die Zehen. Kai hätte jede Wette darauf abgeschlossen, dass ihm Quiiiitsss mit Absicht Schuhe gebracht hatte, die ihm zu klein waren. Er schnaubte wütend und schlüpfte kurzerhand in seine alten Stiefel. Den Bernsteinbeutel und seine Flöte befestigte er gut sichtbar am Gürtel.
    Schon war er auf dem Weg in die Küche, wo ihm der Poltergeist mit hinterlistigem Spinnweblächeln eine lauwarme Milchsuppe servierte, die verdächtig säuerlich roch. Doch Kai war das egal. Heute würde er endlich Hammaburg kennen lernen. Pünktlich fand er sich in der Empfangshalle ein, wo Magister Eulertin bereits auf ihn wartete. Der Däumling stand, in ein feierliches, dunkelblaues Zeremonialgewand gekleidet, auf der Lehne des Korbstuhls und beäugte von dort aus die große Standuhr. Sein schlohweißes Haar wurde von einer blauen Seidenkappe verhüllt, die nach oben hin in einem halbmondförmigen Zipfel auslief. Kai glaubte, kleine Sternschnuppen auf dem Gewand ausmachen zu können. Vielleicht waren es aber auch nur Staubflusen. Magister Eulertin blickte hinauf zu der seltsamen Uhr mit den vielen Zeigern, über die sich Kai bei seiner ersten Begegnung mit dem Däumling gewundert hatte. »Mir scheint, wir sollten heute Augen und Ohren offen halten«, murmelte der Däumling nachdenklich. »Es könnte sein, dass sich uns einige Widrigkeiten in den Weg stellen.«
    Kai folgte dem Blick des Zauberers hinauf zum Zifferblatt. Dieses Monstrum von Uhr war ihm nach wie vor unheimlich.
    »Verratet Ihr mir, was es damit auf sich hat?«, fragte er schüchtern.
    »Hm«, sagte der Däumling und blickte ihn ernst an. »Ich habe sie sozusagen geerbt. Dämonen haben sie in den Schattenklüften des Albtraumgebirges gefertigt. Angeblich existieren nur drei ihrer Art. Eine von ihnen soll sich im Besitz der Nebelkönigin Morgoya befinden. Hexer können dieser Uhr den günstigsten Zeitpunkt für ihre Beschwörungen entnehmen, Todgeweihte können mit ihr den genauen Zeitpunkt ihres Ablebens vorhersagen und Wahrsager vermögen mit ihrer Hilfe Horoskope mit beängstigender Aussagekraft anzufertigen. Kurz, sie zeigt das Schicksal an. Allerdings darf man dieser Uhr nicht trauen. Sie versucht ihren Besitzer zu täuschen.«
    »Warum habt Ihr sie dann nicht zerstört?«, fragte Kai und betrachtete die Uhr misstrauisch aus den Augenwinkeln.
    »Weil das noch gefährlicher wäre«, antwortete Eulertin. »Und außerdem können auch wir weißen Magier Hinweise aus ihr ziehen - zum Beispiel wann es gilt, auf der Hut zu sein. Und damit dient diese Uhr einem Zweck, für den sie eigentlich nicht geschaffen wurde: dem Gleichgewicht der Kräfte!« Der Winzling zwinkerte Kai aufmunternd zu. Anschließend breitete er seine Arme aus und beschwor einen Wind herauf, der ihn bis hinauf zu Kais Schulter trug. Dort ließ er sich mit der größten Selbstverständlichkeit nieder.
    »Worauf wartest du?«, sagte er. »Lass uns aufbrechen. Ich sehe es dir doch an der Nasenspitze an, dass du es kaum abwarten kannst, Hammaburg kennen zu lernen.« Voller Vorfreude ließ Kai die Tür hinter sich ins Schloss fallen und atmete befreit die Stadtluft ein. Neugierig schaute er sich um. Das Heim des Magisters erwies sich wie erwartet als ein ebenso gespenstischer wie verwinkelter Bau, dessen Fassade von zwei runden Turmerkern flankiert wurde. Wehmütig blickte er zu der Irrlichtlaterne über dem Eingang auf. Dann wandte er sich auf Weisung Eulertins in östliche Richtung. Obwohl jenseits der spitzen Häusergiebel die aufgehende Sonne lachte, war die Gasse noch immer tief in Schatten gehüllt. Sie war nicht mehr als ein holpriger Pfad, der gerade so breit war, dass ein Pferdekarren hindurch passte. Links und rechts wurde sie von schiefen Fachwerkhäusern gesäumt, die so eng beieinander standen, dass sich die Nachbarn durch die Fenster die Hände schütteln konnten.
    Die wie Drachenköpfe, Einhörner und andere Zauberwesen geformten Dachgiebel ragten zum Teil weit in die Gasse hinein und allerorten baumelten kunstvoll bemalte Schilder, die die Dienste von Wahrsagern, Windmachern und anderem Zaubervolk anpriesen. Die Magier, die hier lebten, trugen so

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