Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
kalt und feucht an seinem Leib empor und legte sich schließlich auch um seinen Kopf und ließ nur Mund- und Nasenöffnungen frei.
Die Hexe lächelte zufrieden und blickte zu seinem Rucksack, der sich beim Aufprall auf den Boden geöffnet hatte. Halb lugte die Silberscheibe mit Nivel und Levin hervor. »Ein Spiegel!«, rief sie begeistert. »Na, dann muss ich dir deinen Anblick ja nicht vorenthalten.«
Sie ergriff die Mondsilberscheibe und kurz darauf quäkte Nivels Stimme. »Ah Herr, Ihr wollt wieder ... oh, edle Dame ? Entschuldigt, leider hat man uns nicht darüber informiert, dass unser Besitzer gewechselt hat. Mein Bruder und ich stehen Euch freundlichst zu Diensten. Mein Name ist Nivel.«
Verräter, dachte Kai empört.
»Sieh an«, freute sich die Hexe, »ein magischer Droschkenlenker. Was für Schätze du mit dir führst, Flämmchen, unglaublich.«
Sie trat vor Kai und hielt die Scheibe so, dass sich sein Antlitz darin spiegelte. Entsetzt ächzte er auf. Roxana hatte ein Trugbild über ihn gelegt. Er glich der Hexe nun in jedem winzigen Detail. »Na, freust du dich über die kleine Verschönerung?«, höhnte sie und warf die Mondsilberscheibe achtlos hinter sich. Grinsend trat sie einige Schritte zurück, und mit jedem Schritt veränderte auch sie sich. Ihre Figur verlor ihre weiblichen Rundungen, ihre Haare wurden kürzer und ihr Gesicht nahm männlichere Konturen an. Kai hätten schreien mögen, denn Roxana hatte seine Gestalt angenommen.
»Wenn ich mich so hinlege«, sie warf sich mit gespieltem Entsetzen zu Boden und riss die Arme schützend über ihren Kopf, »meinst du, deine Freunde werdenmir abnehmen, dass ich du bin?«
Kai keuchte verzweifelt auf und versuchte sich wieder zu bewegen, doch Roxanas Magie war einfach zu stark. Er stand da wie festgefroren und konnte nichts anderes tun, als zuzusehen, was weiter geschah.
Sie erhob sich wieder. »Ich befürchte, die erste Angriffswelle deiner Freunde wird dich mit voller Härte treffen, du böse, böse Hexe ... Und vielleicht wirst du dabei sogar umkommen.« Roxana zuckte gleichgültig mit den Schultern und betrachtete wieder den Kristallkelch. »Aber keine Angst, mein Liebling«, höhnte sie, »ich werde dich rächen.« Von irgendwoher war plötzlich ein kratzendes Geräusch zu hören, und ein lauernder Zug huschte über das Antlitz der Hexe.
»Ich glaube, sie sind schon da«, flüsterte sie boshaft. »Noch können wir beide eine Wette abschließen. Wer wird zuerst hier eintreffen ? Die abtrünnige Gargyle oder diese Rotte dämlicher Idioten, die du Freunde nennst? Du sagst ja gar nichts, Flämmchen. Na gut, also ich tippe auf die Gargyle.«
»Du hast gewonnen!«, grollte es schräg über ihnen von einer der Höhlenwände und Kai konnte aus den Augenwinkeln heraus große Schwingen erkennen, die sich drohend entfalteten. Unter lautem Gebrüll jagte Dystariel heran. Kai schrie innerlich auf und machte sich darauf gefasst, jeden Moment von ihren Klauen zerrissen zu werden, doch die Gargyle musste dem Monolog Roxanas schon eine Weile gelauscht haben. Denn sie stürzte sich nicht auf ihn, sondern auf die echte Roxana.
Die wich mit katzenhafter Gewandtheit aus, und so bohrten sich Dystariels Krallen statt in ihr Fleisch in den steinernen Untergrund. Die Hexe schleuderte einen Zauberfluch und der Boden unter der Gargyle verwandelte sich in Schlamm.
»Spar dir deine Hexentricks«, fauchte Dystariel und zog ohne Anstrengung ihre Beine aus dem Schlick. »Sie wirken bei mir nicht.«
»Aber sie verschaffen mir Zeit für das hier«, zischte Roxana und ballte ihre Fäuste. Ein dumpfes Grollen lief durch die Gewitterwolke an der Höhlendecke. Kai, der wie damals auf dem Schwarzen Berg bereits Blitze oder einen Regen aus schwarzen Kröten erwartete, sah zu seinem Entsetzen mit an, wie die Wolke aufwallte, an den Rändern zerfaserte und sich innerhalb weniger Augenblicke auflöste.
Bei allen Moorgeistern, dort, wo vorher die Wolke gewesen war, klaffte nun ein gewaltiges Loch in der Decke. Gleißendes Sonnenlicht flutete die Grotte. Dystariel brüllte verzweifelt. Sie versuchte beiseitezuspringen, doch es gelang ihr nicht mehr. Das helle Licht ergoss sich erbarmungslos über ihren Gargylenleib und legte sich um jede Kontur und jede Falte ihres nachtschwarzen Körpers. Ihr Kopf und ihre Schwingen dampften und ein bösartiges Knacken lief über ihren Körper, der von einem Moment zum anderen erstarrte.
Das Brüllen erstarb und die Gargyle stand zu Stein
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