Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
einem Chaos aus Luftwirbeln, Gischtspritzern, Geisterschreien und Nebelschwaden. Kai wurde von etwas Hartem in die Seite getroffen, rollte sich ab und feuerte abermals einen Kugelblitz auf die gegnerischen Elementare ab, als er hörte, wie eines der Fenster zerbrach. Vage erkannte er einen roten Schatten, der sich durch die Luft auf ihn zuschlängelte und sich fauchend auf eine Nereide mit Haifischmaul stürzte. Olitrax! Für einen Moment war Kai abgelenkt und so bemerkte er zu spät den Schatten, der hinter ihm aus einem Spalt in der Wandvertäfelung glitt. Er wirbelte herum und feuerte einen weiteren Feuerwusel ab, der sein Ziel jedoch verfehlte.
»Du weißt doch, dass du mir nicht gewachsen bist, kleine Flamme«, säuselte die Stimme Roxanas. Im selben Moment fühlte sich der Zauberlehrling von zwei Nereiden gepackt, die ihn mit Macht in Richtung Wandvertäfelung zerrten.
»Hilfe!«, schrie er verzweifelt und sah noch, wie Fi einen Pfeil auf die Hexe abfeuerte. Doch Roxana duckte sich, und im nächsten Moment wurde er durch einen Spalt in der Wand gezerrt. Die Geheimtür in der Wandtäfelung schloss sich mit dumpfem Laut. »Runter mit ihm!«, befahl Roxana den beiden Elementaren.
Kai verlor seinen Zauberstab und wehrte sich jetzt mit Händen und Füßen, doch der Griff der Wasserwesen war unerbittlich. Schäumend und gurgelnd schleppten sie ihn über gewundene Treppenstufen hinab in die Tiefe, bis sie eine von Fackeln beleuchtete Grotte erreichten, in der ein kleiner See lag.
Irritiert sah sich der Zauberlehrling um. Der Höhlensee wurde von einem Wasserfall gespeist, der aus einer träge wallenden Gewitterwolke hervorbrach, die unwirklich und finster über ihnen an der Decke wallte. Doch das war nicht das einzig Sonderbare an der Grotte. Am Ufer des Sees befanden sich drei prasselnde Feuerstellen, über denen große Kessel standen, aus denen es dampfte. Lange Überlaufröhren führten von dort geradewegs in den See. Irgendwie schmeckte die Luft hier unten bitter. Mit einem schmerzhaften Ruck durchtrennte eine der Nereiden die Riemen von Kais Rucksack sowie den Gürtel an seinem Gewand und schleuderte die Gegenstände achtlos auf den Höhlenboden.
»Glaubt ja nicht, dass Ihr ungeschoren davonkommt!«, schrie Kai Roxana wutentbrannt an, die seinen Zauberstab in der Hand hielt.
»Ach nein?« Die Hexe ging mit provozierendem Hüftschwung auf einen Tisch zu, der im Schatten eines Felsvorsprungs stand. Auf ihm ruhten Gerätschaften, wie sie ein Alchemist verwendete. Glaskolben, Brenner, Tiegel und Phiolen. Ruhig lehnte sie Kais Zauberstab gegen die Wand.
»Wirklich hübsch, was dir Wildegrimm da geschaffen hat, als er noch auf der falschen Seite stand«, höhnte sie. »Dein Zauberstab wird das Herzstück meiner Trophäensammlung werden. Angeblich hat die Feenkönigin ebenfalls eine solche Sammlung. Da ist es nur recht und billig, wenn ich es auch so halte, findest du nicht?« »Meine Freunde werden mich schon bald finden!«, schrie Kai und wand sich abermals ohne Erfolg im Griff der Wasserwesen.
»Na, das hoffe ich doch, Flämmchen. So schwer habe ich es ihnen ja auch nicht gemacht, oder?«
Was redete die Hexe da? Misstrauisch sah sich Kai in der Grotte um und dachte an Dystariel. Eulertin hatte vorhin angedeutet, dass sie sich irgendwo unter der Burg versteckt hielt.
Roxana bemerkte seinen Blick und strich sich durch ihr schwarzes Haar. »Hoffst du etwa darauf, dass diese abtrünnige Gargyle hier auftaucht, Flämmchen?« Erschrocken blickte Kai sie an.
»Na, dann sind wir ja zu zweit«, fuhr die Hexe belustigt fort und zwinkerte ihm zu. »Ich weiß längst, dass sie hier unten herumschleicht. Sie wurde gesehen, wie sie sich bei Tagesanbruch in einer Zisterne verkroch. Da wusste ich natürlich, dass du ebenfalls nicht weit sein würdest, und konnte einige Vorkehrungen treffen.«
»Sie ... sie wird Euch zerfleischen!«, drohte Kai Roxana.
Die verräterische Hexe gab ihm eine schallende Ohrfeige, die Kai taumeln ließ. »Na, na, na, solche bösen Worte wollen wir doch in Anwesenheit einer schönen Frau nicht in den Mund nehmen, oder ? Im Gegenteil, heute werde ich unter Morgoyas Feinden aufräumen. Du hast es vielleicht noch nicht mitbekommen, aber all das hier«, sie breitete die Arme aus und drehte sich lachend im Kreis, »ist eine einzige, große Falle.«
»Eine ... Falle?«, wiederholte der Zauberlehrling.
»Aber ja. Was denkst du denn?« Kopfschüttelnd musterte sie ihn. »Glaubst du, ich habe dich
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